Wildkatze

Die Wildkatze auf der Suche nach Inseln der Ruhe

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Behutsam eine samtene Pfote nach der anderen auf den laubbedeckten Boden setzend, durchstreift ein kleiner „Tiger“ unsere Landschaften – die Wildkatze. Immer darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden, verlässt sie ihren ursprünglichen Lebensraum – dichte, altholzreiche Wälder – nur selten. In der vom Menschen geprägten offenen Kulturlandschaft nutzt sie naturnahe Strukturen wie waldbestockte Wasserläufe, gebüschreiche Waldränder, lang gezogene Heckenstreifen, reich strukturierte Restwälder. Immer auf der Suche nach Nahrung, nach Unterschlupf, nach Partnern, also nach Überlebensraum für sich und ihre Nachkommen.

Wer ist diese Suchende?

Welche Ansprüche stellt sie an ihren Lebensraum?

Wie können wir als Menschen sie dabei unterstützen?

Wer bin ich?

Die Europäische Wildkatze wurde im Jahr 1777 durch den deutschen Mediziner und Naturforscher Johann Christian von Schreber als Felis silvestris wissenschaftlich benannt. Dabei werden die Wildkatzen des Kaukasus als eigenständige Unterart (Felis silvestris caucasica) unterschieden. Die Südafrikanische Wildkatze (Felis lybica cafra) und die Asiatische Wildkatze (Felis silvestris ornata) bilden eine eigenständige Art, die Falbkatze (Felis lybica). Unsere Hauskatze stammt nicht von der Europäischen Wildkatze ab, sondern von der Falbkatze. Nicht zu verwechseln ist die Waldkatze mit einigen Halblanghaar-Rassen der Hauskatzen, die ebenfalls als Waldkatzen bezeichnet werden: die amerikanische Waldkatze, die Norwegische Waldkatze und die Sibirische Katze, die auch Sibirische Waldkatze genannt wird.

Selbst Fachleuten fällt die Unterscheidung von Haus und Wildkatze bisweilen schwer, daher sei hier kurz auf die wichtigsten äußeren Unterscheidungsmerkmale hingewiesen.

Die Wildkatze wirkt massiger und kraftvoller als die Hauskatze und sie hat in Relation zum Körper längere Beine als diese. Die Grundfärbung des Fells variiert von Gelblich-Braun über Rötlich-Grau bis Silbergrau. Der Kopf wird geprägt von einer wuchtigen, breiten Schnauze und einem hellen Kehlfleck. Auf dem Rücken befindet sich oft ein typischer, durchgehender schwarzer Strich, der an der Schwanzwurzel endet. Rücken und Körperseiten sind mehr oder weniger stark mit verwaschenen Streifen gemustert. Der Schwanz ist dick und relativ kurz, weist eine typische Ringelung mit drei bis fünf dunklen Ringen auf und endet stumpf, immer mit schwarzer Spitze. An der Sohle befindet sich ein kleiner, schwarzer Fleck. Ein weiteres auffälliges Erscheinungsmerkmal ist der hell fleischfarbene Nasenspiegel.

Wo fühle ich mich wohl?

Wildkatzen leben vor allem in strukturreichen Laub und Mischwäldern mit Lichtungen und Waldwiesen, dabei sind die Kerngebiete der Vorkommen große, wenig zerschnittene und abwechslungsreiche Waldgebiete.

Von dort wandern die überwiegend nachtaktiven Tiere entlang versteckreicher Hecken, Wegränder und Ufer von Fließgewässern auch bis in die offene Kulturlandschaft. Hier werden Brachen und Grünlandflächen als ergiebige Jagdhabitate, aber auch benachbarte Waldlebensräume aufgesucht.

Ausschlaggebend für die Nutzung offener Lebensräume ist ein ausreichendes Angebot deckungsbietender Strukturen. Auch artenreiche Halboffenlandschaften, die in unserer Kulturlandschaft leider kaum noch existieren, bieten Lebensräume für Wildkatzen. Sie meiden Gebiete mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung, reine Nadelwälder, sehr hohe Berge, deckungslose Küstenregionen oder Gebiete, die im Winter zu mehr als 50 % zugeschneit sind, wo die durchschnittliche Schneehöhe mehr als 20 cm beträgt oder wo die Schneedecke über einen Zeitraum von 100 Tagen oder länger liegen bleibt.

Merkmal der Wildkatze: buschiger, kräftig geringelter Schwanz … fleischfarbener Nasenspiegel, kräftige Schnurrhaare

Bevorzugter Lebensraum: reichstrukturierter Laubwald … mit Totholz und dichtem Gestrüpp

Wie sieht mein Alltag aus?

Wildkatzen sind sehr scheu und sie bewegen sich äußerst vorsichtig. Bodennahe Baumhöhlen oder hohle Baumstämme, Reisighaufen, Wurzelhöhlungen und Holzpoltern, die am Waldweg lagern, dienen ihnen als Tagesversteck und sicherer Ort zur Aufzucht ihrer Jungen. Manchmal nutzen sie aber auch Blockhalden, Felsspalten und Erdbauten von Dachs und Fuchs.

Aber auch ruhige, heckenreiche Säume am Waldrand mit angrenzenden Wiesen sind Lieblingsplätze der Samtpfote. Hier kann sie auf den Wiesen Mäuse, ihre Hauptnahrungsquelle, erbeuten. Bisweilen stehen auch Vögel auf ihrem Speiseplan, außerdem Eidechsen oder Amphibien sowie größere Insekten. Wie die meisten Katzenarten führen sie ein vornehmlich einzelgängerisches Leben und sind meist ortstreu. Sie sind Pirschjäger, die ihre Beute unbemerkt anschleichen und durch einen Überraschungsangriff mit einem Sprung fassen. In dichter besiedelten Gegenden neigen sie zur Nachtaktivität. Ihr außergewöhnlich gutes Sehvermögen bei Dunkelheit befähigt sie dazu. Ihre hoch entwickelten Sinnesorgane und ihre als hoch eingestufte Intelligenz lassen sie natürliche Gefahren frühzeitig erkennen. Die Größe ihres Reviers richtet sich nach dem Angebot an Beutetieren und kann deshalb je nach Gegend sehr unterschiedlich sein. Ist der Lebensraum optimal, benötigt sie zwei bis drei Quadratkilometer, unter schwierigen Jagdbedingungen kann der Lebensraum auch neun und mehr Quadratkilometer umfassen. Männchen beanspruchen in der Regel größere Reviere als weibliche Tiere.

Den Tag verschlafen Wildkatzen gerne in Baum- und Felshöhlen im deckungsreichen Gestrüpp. Auch werden oberirdische Schlafplätze in verästelten Baumkronen oder alten Hochsitzen der Jäger aufgesucht, wenn diese leicht zu erklettern sind.

Die Paarungszeit (Ranz) ist in den Monaten Januar bis März. In dieser Zeit erweitern die Kater auf der Suche nach paarungsbereiten Weibchen ihre Streifgebiete. Nach einer Tragzeit von etwa 68 Tagen werden in einem sicheren Versteck zwei bis sechs, meist vier Junge geboren. Die meisten Würfe (Gehecke) erfolgen im April. Mit etwa sechs bis acht Monaten suchen sich die Jungtiere ein eigenes Revier. Die Sterblichkeit der jungen Wildkatzen ist hoch. Unter optimalen Bedingungen werden sie in der Natur sieben bis zehn Jahre, in der Gefangenschaft über 15 Jahre alt.

„Unsere Hauskatze stammt nicht von der Europäischen Wildkatze ab, sondern von der Falbkatze“

Bei Tageslicht wird geruht

Wo bin ich zu Hause?

Ursprünglich war die Wildkatze im kontinentalen Europa im Osten bis zur Dnepr-Niederung und zum Baltikum verbreitet und kam auch in England vor. Bis in das 20. Jahrhundert hinein waren Wildkatzen in vielen Wäldern Europas weit verbreitet. Hier haben sie sich entwickelt und Jahrtausende überlebt. Seit einigen Jahrzehnten befinden sie sich jedoch auf dem Rückzug.

Die heutigen Verbreitungsschwerpunkte liegen auf dem Balkan, der Iberischen Halbinsel, in Schottland, Italien, in Ostfrankreich bis Belgien und in Teilen Westund Mitteldeutschlands.


Aus diesem Verbreitungsmuster ergibt sich für Mitteldeutschland eine Schlüsselrolle als Bindeglied zwischen den Vorkommen in Ost- und Westeuropa. In Deutschland kommen Wildkatzen vor allem in der Mitte und im Südwesten vor: Ein Verbreitungszentrum umfasst die Vorkommen in Eifel, Hunsrück, Pfälzer Wald und Taunus, die vermutlich untereinander im Austausch stehen und Anschluss an die Bestände in Ostfrankreich und Belgien besitzen.


Das zweite liegt im Harz, Teilen des Leine-Weserberglandes und Waldgebieten Nordthüringens bis zum Hainich. Auch andere Waldgebiete wären sicher als potenzielle Lebensräume für die Wildkatze geeignet.

Wer sind meine Weggefährten?

Ursprüngliche, alte und strukturreiche Wälder, in denen Baumriesen erhalten geblieben sind, die erst nach Hunderten von Jahren eine besonders dicke Borke, Moosbewuchs, verwitterte Äste und Höhlen ausbilden. Sie bieten unzähligen hoch spezialisierten Tier- und Pflanzenarten eine Heimat. Irgendwann bricht der Baum zusammen, es entsteht eine große Schneise, in der Licht liebende Bäume und Sträucher keimen. In einem solchen Wald existieren Alt und Jung eng verzahnt und im ständigen, dynamischen Wechsel.

Hier hat sich über Jahrhunderte eine mannigfaltige Lebenswelt entwickelt, zu der Säugetiere, Vögel, Amphibien, Kriechtiere, Insekten, Pflanzen, Flechten und Pilze gehören.

In dieser Gemeinschaft lebt auch die Wildkatze zusammen mit ihren Weggefährten, einige seien nachfolgend vorgestellt:

Luchs – Lynx lynx

Luchse leben als Einzelgänger bevorzugt in weitläufigen, naturnahen Waldarealen. Ihre riesigen Streifgebiete sind bis zu 400 Quadratkilometer groß. Sie brauchen störungsarme, deckungsreiche Rückzugsgebiete mit ausreichend Beute. Sie meiden aber auch reich strukturierte Kulturlandschaften mit einem kleinräumigen Wechsel von Feld und Wald nicht. Gerade hier finden sie ihre bevorzugte Beute, viele Rehe. Als Weggefährte der Wildkatze stellen sie aber auch eine Gefahr für sie dar, denn auch diese können zu ihrer Beute werden.

Baummarder – Martes martes

Das kleine Raubtier ist ein Baumbewohner, das sehr gut klettern und springen kann. Der Baummarder bevorzugt zusammenhängend strukturreiche Waldgebiete. Tagsüber ruht er zumeist in Baumhöhlen, ausgedienten Greifvogelnestern oder auch besetzten Eichhörnchenkobeln, bevor er dann in der Dämmerung und der Nacht auf Nahrungssuche geht. Dabei legt er im Schnitt Strecken von fünf bis sieben Kilometern, aber auch bis zu 15 Kilometer zurück und das vorwiegend am Boden. Die Bäume dienen ihm als Deckung. Dicke, alte, absterbende Bäume mit vielen Höhlen werden auch als Marderbäume bezeichnet, denn dort trifft man ihn beim Ausneuen (Verfolgen der nächtlichen Spur im Schnee bis an das Tagesversteck). Auch der Baummarder kann eine Bedrohung für die Wildkatze darstellen.

Bechsteinfledermaus – Myotis bechsteinii

Die Bechsteinfledermaus fühlt sich in Laub- und Mischwäldern mit vielen alten und höhlenreichen Bäumen wohl. Tagsüber schläft sie. Hierfür sucht sie als Sommerquartier Baumhöhlen auf, die sie auch für die Jungenaufzucht braucht. Verlässt sie ihr Tagesversteck, begibt sie sich auf die Jagd nach Insekten. Für den Winterschlaf ziehen sich die Bechsteinfledermäuse in unterirdische Hohlräume wie beispielsweise Höhlen, Bunker oder Stollen zurück.

Durch die massive holzwirtschaftliche Nutzung unserer Wälder ist ihr Bestand stark zurückgegangen. Neben dem Verlust an Quartieren leidet sie unter der Zersiedelung und Zerschneidung der Wälder. Denn auch wenn sie fliegen kann, quert sie nur sehr zögerlich offene Landschaften und fliegt bevorzugt über Hecken, Korridore und andere Waldstrukturen, um neue Lebensräume zu erobern.

Schwarzstorch – Ciconia nigra

Der Schwarzstorch lebt meistens verborgen in alten, aber nicht zu dichten, reich strukturierten Wäldern. Laubwälder und Laubmischwälder mit Lichtungen, Fließgewässern, Tümpeln und Teichen sind sein idealer Lebensraum. Ebenso gehören waldnah gelegene, feuchte, extensiv genutzte Wiesen zu einem optimalen Schwarzstorchhabitat. Alte Schwarzstorchreviere liegen fast immer in geschlossenen, meist über 100 Hektar großen Waldgebieten. Schwarzstörche reagieren sehr empfindlich auf Störungen und meiden daher weitgehend die Nähe von menschlichen Siedlungen.

Feuersalamander – Salamandra salamandra

Feuersalamander stellen hohe Ansprüche an ihren Lebensraum: Man findet sie in von Quellbächen durchzogenen feuchten Laub- und Mischwäldern des Hügel- und Berglandes. Hier halten sie sich in vegetationsreichen Schluchten, an moosigen, mit Steinen durchsetzten Hängen oder an den baumstumpf- und strukturreichen Waldböden auf. Als erwachsene Tiere benötigen sie die Gewässer nämlich fast nicht. In Totholzbeständen, unter Steinen, zwischen Felsblöcken und Baumwurzeln verstecken sie sich tagsüber. Denn Feuersalamander sind nachtaktiv – weswegen sie auch tagsüber kaum zu entdecken sind. Im Dunkeln gehen sie auf die Jagd nach Schnecken, Spinnentieren, Tausendfüßern, Käfern und Regenwürmern.

Kreuzotter – Vipera berus

Die Kreuzotter bevorzugt Habitate mit starker Tag-Nacht-Temperaturschwankung und hoher Luftfeuchtigkeit. Von ihr werden Moore und angrenzende lichte Moorwälder, lichte Waldlebensräume, Wildflussauen, alpine Matten und Latschengebüsche besiedelt. In der Kulturlandschaft bevorzugt sie sonnige Waldränder und Hecken, Streuwiesen und Borstgrasrasen, Waldlichtungen und Abbaustellen. Wichtig ist in allen Lebensräumen eine gute Ausstattung mit Kleinstrukturen, d. h. Versteckmöglichkeiten, Sonnenplätzen und Windschatten.

Noch mehr Weggefährten

Trauermantel – Nymphalis antiopa

Der Trauermantel lebt vor allem in lichten, offenen und feuchten Laubwäldern, man findet ihn aber auch in Obstgärten und an Alleen. Die Raupen ernähren sich vor allem von Birken wie Hänge-Birke und schmalblättrigen Weiden wie zum Beispiel Sal-Weide und auch von Ulmen. Die Trauermäntel saugen nur selten an Blüten, sondern überwiegend an Baumsäften und Fallobst. Nur im Frühjahr findet man sie oft an Weidenblüten. Der Trauermantel fliegt in einer Generation ab Ende Juli und nach der Überwinterung bis Juni.

Hirschkäfer – Lucanus cervus

Der Hirschkäfer bevorzugt als Lebensraum warme, lichte (Eichen-) Wälder, besonnte Waldränder sowie unterschiedliche Offenlandbereiche wie z. B. Obstwiesen, außerdem Gärten, Parks und Alleen unserer Dörfer und Städte. Die Hauptflugzeit liegt zwischen Mitte Mai und Ende Juni.

Nach der Paarung legt das Weibchen etwa 20 Eier bis zu 75 Zentimeter tief in den Boden an die Wurzeln von toten oder kranken Bäumen. Die Larven entwickeln sich in den Wurzeln, Stämmen und Stümpfen, brauchen jedoch durch Pilzbefall zermürbtes Totholz, insbesondere von Eichen. Selten werden auch andere Laubbäume wie etwa Linden, Buchen, Ulmen, Pappeln, Eschen, Weiden oder Obstbäume ausgewählt. Hirschkäfer sind beim ersten Verlassen der Erde bereits in ihrem 3. bis 8. Lebensjahr. Die Lebenserwartung nach dem Schlupf der Käfer beträgt bei den Männchen nur wenige Wochen, auch die letzten Weibchen versterben im Spätsommer.

Purpur-Hasenlattich – Prenanthes purpurea

Der Purpur-Hasenlattich ist eine unscheinbare Pflanze und wird von den meisten Menschen überhaupt nicht beachtet. Er ist aber ein wichtiger Bio-Indikator. Er gedeiht meist in kraut- und grasreichen Bergmischwäldern mit Buchen, Tannen, Eichen und Fichten und wächst in Hochstaudenfluren und in Verlichtungen an Waldwegen. Er ist in Mitteleuropa eine Fagion-Verbandscharakterart. Wenn wir ihn aber mitten in einem Fichtenforst entdecken, dann wissen wir, hier müsste eigentlich ein reichstrukturierter Buchenwald stehen.

Tannenstachelbart – Hericium flagellum

Stachelbärte sind Xylobionten, also Holzbewohner, die als Wundparasiten an lebenden Bäumen oder an Totholz als Saprobiont wachsen. Sie fruktifizieren sehr zerstreut bis selten vom Frühsommer bis in den Spätherbst. Durch die Intensivierung der Forstwirtschaft, u. a. durch die Umwandlung naturnaher Laub-Mischwälder in Nadelwald-Monokulturen, durch die Verringerung der Umtriebszeiten alter Forste und Einzelbäume sind sie nur noch selten in unseren Landschaften zu finden.

Bartflechten – Usnea spec.

Bartflechten wachsen nur in Naturräumen mit hoher Luftqualität und auf Bäumen mit „saurer“ Borke wie Nadelbäumen oder Birken in exponierten niederschlags- oder nebelreichen Bergwäldern vom borealen Nadelwaldgürtel bis in den Mittelmeerraum. Sie sind sehr empfindlich gegen Luftverschmutzung. Deshalb sind sie besonders dazu geeignet, den Grad der Luftbelastung durch Schadstoffe zu registrieren.

Weggefährten & Verfolgung

Was & wer gefährdet mein Leben?

Zu Beginn des Pleistozän (vor ca. 500.000 Jahren) war die Wildkatze weit über Europa verbreitet. Erst mit dem Rückzug des Eises wurde sie zum Waldtier. Heute ist sie an vielen ehemals besiedelten Orten verschwunden oder vom Aussterben bedroht. Wildkatzen wurden seit 1750 als vermeintlicher Konkurrent des Menschen systematisch verfolgt. Dieser Feldzug war für die Wildkatze vernichtend. Nur wenige Jahrzehnte nach Beginn der Verfolgung wurden deutschlandweit die letzten „Exemplare“ für die Naturkundemuseen präpariert.

Ergebnis war die jagdliche Verteufelung der Katzen. Als vermeintlicher Konkurrent um Jagdbeute und als Gefahr für das Niederwild wurden sie gnadenlos verfolgt. Die Tötung von Rehen und Hirschen, ja sogar eine Gefährlichkeit für den Menschen wurden den völlig harmlosen Mäusejägern zur Last gelegt.

Neben der direkten Verfolgung trugen vor allem die Veränderungen der Landschaftsstruktur zur Verringerung des Bestandes bei. Früher war Deutschland vor allem eines: Waldland. Heute bedecken Wälder nur noch ca. 30 % des Landes und werden zu großen Teilen forstwirtschaftlich genutzt. Immerhin, geschätzte 26 % geeigneten Lebensraumes stehen der scheuen Jägerin in Deutschland zur Verfügung. Dennoch findet man sie nur auf 4,6 % dieser Flächen. Diese Waldlebensräume liegen inselartig verteilt, umgeben von einem Netz aus immer dichteren Verkehrswegen, Siedlungsbändern und intensiv genutzten Agrarlandschaften.

Langsame Erholung der Population

Seit den 1920er-Jahren erholen sich die noch bestehenden Populationen in Belgien, Tschechien, der Slowakei, Frankreich, Deutschland, der Schweiz und Schottland wieder, nachdem sie seit dem späten 18. Jahrhundert nahezu ausgerottet waren. Es gibt auch noch bedeutende Bestände in Polen, Italien, Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Slowenien und Serbien. Die Populationen in Deutschland wurden im Jahr 2000 auf 1.700 bis 5.000, im Jahr 2020 auf 6.000 bis 8.000 Tiere geschätzt.

Natürliche Feinde der Wildkatze wie Luchs und Wolf, für junge Wildkatzen auch Greifvögel, Füchse oder Marder spielen für ihre Gefährdung kaum eine Rolle. Vielmehr sind die größten Probleme für die Art die immer intensivere Nutzung unserer Landschaften durch Siedlungsgebiete und Landwirtschaft sowie der Verkehr.

Welchen Bedrohungen sind die Wildkatzen in der heutigen Zeit ausgesetzt?

Straßentod

Die meisten Todesopfer unter Wildkatzen fordert unser dichtes und viel befahrenes Straßennetz. Als eine Art mit großen Aktionsräumen und weiten Wanderungen queren Wildkatzen häufig Autobahnen oder Bundesstraßen und werden dabei immer wieder überfahren. Die weitere Ausbreitung der Wildkatzen geschieht deshalb viel langsamer, als es eigentlich möglich sein könnte, da neben Jungerwachsenen sehr häufig Individuen im „besten Alter“ verunfallen, die dann nicht mehr an der Reproduktion teilnehmen.

Fehlende Vernetzung

Die scheuen Wildkatzen verlassen im Allgemeinen nur sehr zögerlich und im Schutz von Hecken den Wald. Durch ausgeräumte Agrarwüsten, wie sie heute oft zu finden sind, bleiben sie in ihren bisher zurückeroberten Waldgebieten „eingesperrt“. Diese liegen dann verstreut wie Inseln im Meer, sodass sich die vereinzelten Populationen nur schwer austauschen können. Entsprechend anfällig sind sie für Inzucht und Krankheiten, eine gefährliche Bedrohung für die Art.

Schwindende alte Wälder

Reduzierung oder Zerstörung alter, lichter Laubmischwälder, Beeinträchtigung reich gegliederter Waldsäume und Beseitigung anderer besonderer Lebensraumelemente im Wald (alte Baumriesen mit Höhlen, tote Baumstümpfe, Wurzelteller usw.) führen zum Verlust von Jagdgebieten, Aufzugsmöglichkeiten, Sonnen- und Ruheplätzen und Wanderrouten. Dreiviertel der deutschen Landesfläche wäre natürlicherweise mit Buchenwald bedeckt. Heute sind es nur noch etwa vier Prozent. Viele naturnahe Laubund Mischwälder wurden abgeholzt und in naturferne Wirtschaftsforste verwandelt.

Intensivierung der Forstwirtschaft

Häufig werden von den Wildkatzen im Wirtschaftsforst Holzpolter, also Stapel geernteter Baumstämme, als Platz für die Tagesruhe oder als Versteck für den Nachwuchs genutzt. Sie können beim Verladen der Stämme zur Todesfalle, insbesondere für die wenig mobilen Jungtiere werden. Auch das Häckseln sehr versteckreicher Energieholzmieten (Schwachholz, das zur Energiegewinnung genutzt wird) in den Frühjahrsmonaten kann ganze Würfe gefährden.

Abschuss

Früher dezimierten vor allem Jäger ganz bewusst die Wildkatzen-Bestände. Heute besteht für die Art eine ganzjährige Schonzeit. Allerdings kommt es noch immer zu Abschüssen – nämlich dann, wenn Jäger eine Wildkatze für eine verwilderte Hauskatze halten.

Zäune aus Knotengittern als Todesfallen

Da sich die Wildkatzen beim Überklettern mit den Krallen verfangen oder mit den Läufen „einfädeln“ und sich dann nicht mehr selbst befreien können, verenden diese dabei elendiglich.

Schutzstatus

Seit rund 70 Jahren sind Wildkatzen unter Schutz gestellt und die Jagd auf sie ist verboten. Die Wildkatze ist eine der seltensten einheimischen Säugetierarten und durch internationale Abkommen wie dem Washingtoner Artenschutzabkommen (WA), der Berner Konvention und der europäischen Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-RL, Anhang IV) streng geschützt. In der Roten Liste der gefährdeten Wirbeltiere Deutschlands wird die Wildkatze als „stark gefährdet“ eingestuft. Nach Bundesjagdgesetz (BJG) gilt sie als jagdbare Tierart, jedoch mit ganzjähriger Schonzeit.

 

Wildkatze versus Gesteinsabbau – Einheit & Gegensatz eines Widerspruchs

Wildkatze – Gesteinsabbau, dies klingt nach einer naturschutzfachlichen Grundsatzdiskussion. Ist es aber nicht. Dieser dialektische Widerspruch ist philosophisch einfach zu lösen, wir sprechen hier von einer objektiv existierenden Einheit von sich einander ausschließenden und gleichzeitig bedingenden Gegensätzen.

Ein Gesteinsabbau in einem Naturraum bedeutet immer eine vollkommene Zerstörung der vorhandenen natürlichen Gegebenheiten, der Geländemorphologie, der geologischen Strukturen, des Bodenaufbaus, der Lebensräume, der Vegetation, der Tier- und Pflanzenwelt. Damit geht einher auch die Veränderung des gesamten Naturhaushaltes, des Wasser- und Lufthaushaltes, des Mikroklimas, der Temperatur- und Strahlungsbedingungen usw. Unter Umständen wird auch damit ein Stück Lebensraum für die Wildkatze vernichtet.

Mit der Einstellung des Abbaubetriebes kann die Natur eine zweite Chance zur ungestörten Eigenentwicklung bekommen, eine Entwicklung, die auch der Wildkatze zu Gute kommen könnte. Die Wiederherstellung der ursprünglichen natürlichen Gegebenheiten ist nicht bzw. erst in geologischen Zeiträumen möglich. Aus Sicht des Naturschutzes sollte die Folgenutzung, oder besser Folgenichtnutzung, dem Prinzip des Altmeisters der Wildnisbewegung, Aldo Leopold, folgen:

„Am Anfang war die Erde“

Aufgelassene Gesteinsabbaugebiete erfüllen zwei grundlegende ökologische Ansprüche im Naturhaushalt:

  • kleinräumig stark differenzierte abiotische Bedingungen auf nährstoffarmen, pestizidarmen, -freien Standorten und
  • störungsarme, -freie Habitate

Damit besitzen diese aufgelassenen Gesteinsabbaugebiete ein ökologisches Alleinstellungsmerkmal gegenüber den meisten mitteleuropäischen Landschaften. Auf eine Verfüllung dieser Gebiete sollte daher weitestgehend verzichtet werden und die Flächen bis auf wenige Ausnahmen für spezifische Maßnahmen weitgehend der natürlichen Sukzession überlassen bleiben. Mit der Begründung der Bergsicherheit sollte der Zutritt zu diesen Gebieten vollkommen unterbunden bzw. nur bis auf wenige Ausnahmen zugelassen werden.

Welche Habitatansprüche hat die Wildkatze und welche können in diesen Gebieten erfüllt werden?

  • störungsarme, -freie Räume
  • Deckungsmöglichkeiten für die Beutejagd und als Versteck
  • Höhlen und Hohlräume als Unterkunft und zur Aufzucht der Jungen
  • offene Flächen für die Beutejagd
  • besonnte Stellen als Ruheplätze
  • ein ausreichendes Nahrungsangebot

Wie können aufgelassene Gesteinsabbaugebiete „wildkatzengerecht“ entwickelt werden?

Grundsätzlich durch „Nichtstun“!

• Betreten dieser Gebiete ist weitgehend zu unterbinden, Wilddurchlässe sind zu ermöglichen.
• Auf waldbestockten Nichtabbauflächen sind alle Altbäume zu erhalten, auch in ihren Zerfallsstadien.
• Alles Totholz, liegendes und stehendes, ist auf den Flächen zu belassen.
• Natürliche Gebüschsukzessionen sind zuzulassen und keinesfalls „durchzuforsten“.
• Durch Erosionen entstandene offene Blockhalden sind nicht zu beräumen.
• Inwieweit offene Flächen, besonnte Felskuppen durch „Pflege“ zu erhalten sind, bedarf einer sorgsamen Abwägung.

Neue Pfade braucht das Land

Ergebnis dessen ist eine Karte vernetzter Wildkatzenlebensräume in Deutschland. Dieses Korridormodell ist auf einer interaktiven Plattform online unter www.wildkatzenwegeplan.de verfügbar. Bei der Modellierung des Wildkatzenwegeplans ging es um die bundesweite Vernetzung von bestehenden Wildkatzenvorkommen und den mehr als 500 km² großen, potenziell geeigneten Lebensräumen. Für die Modellierung der Wildkatzenwege wurden detaillierte Landnutzungskarten (CORINE) und ein Habitatmodell zusammengeführt. Eine Aussage darüber, ob solch ein Korridor tatsächlich genutzt wird, erlaubt die Modellierung nicht.

In diesem Wildkatzenwegeplan sind Korridore mit einer Länge von insgesamt 20.000 km ausgewiesen. Gehen wir davon aus, dass die Breite eines Korridors 20 bis 50 m betragen sollte, um von einer Wildkatze als Wanderweg angenommen zu werden, ergebe dies eine Fläche von 40.000 bis 100.000 ha.

Für die Bepflanzung dieser Fläche würden 320.000.000 bis 800.000.000 Sträucher (Pflanzdichte-0,8 Sträucher pro m²) oder 60.000.000 bis 150.000.000 Laubbäume (Pflanzdichte 1.500 Laubbäume pro ha) benötigt. Eine umweltpolitische-Zielstellung, die nur an der Realisierung in der Natur gemessen werden kann. Dazu eine Meldung vom BUND e. V. vom 21. November 2021: „Und auch in Sachsen geht es voran: Hier fand ebenfalls am vergangenen Wochenende der ‚virtuelle Spatenstich‘ für den ersten Wildkatzenkorridor im Lande statt. Corona bedingt per Videoschalte kamen alle Akteure zu einem runden Tisch zusammen und vereinbarten das weitere Vorgehen.“

Wildkatzen können nicht auf virtuellen Korridoren wandeln!

Die Leitart „Wildkatze“

Da die Wildkatze eine anspruchsvolle Tierart ist – sie kann als Indikator für die Qualität ihres Lebensraumes betrachtet werden – dient sie als Leitart: Ihr Schutz und die Vernetzung ihrer Waldlebensräume kommen gleichzeitig vielen heimischen Tier- und Pflanzenarten (siehe dazu „Wer sind meine Weggefährten?“ auf S. 5) zugute.

Um Wildkatzen nachzuweisen, hat sich die BaldrianLockstockmethode bewährt. Dazu werden ca. 60 cm lange, angeraute Dachlatten im Wald aufgestellt und das obere Ende mit Baldrianextrakt eingesprüht. Von diesem Geruch angelockt reiben sich die Tiere an dem Stock. Die Haare, die so am rauen Holz hängen bleiben, können mit einer Pinzette eingesammelt und dann im Labor untersucht werden. Im Labor wird zunächst die gesamte DNA, der Träger der Erbsubstanz, extrahiert. Dann werden definierte Basensequenzen untersucht, um festzustellen, ob es sich tatsächlich um eine Wildkatze handelt. Mit Hilfe dieses genetischen Fingerabdrucks kann auch festgestellt werden, ob es sich um ein oder mehrere Individuen handelt und wie die Verwandtschaftsverhältnisse sind.

Welche Funktionen können Gesteinsabbaugebiete auf den Wildkatzenwegen übernehmen?

Viele aufgelassene Gesteinsabbaugebiete übernehmen in den ausgeräumten Kulturlandschaften eine wichtige Rolle als störungsarme Rückzugsräume für sensible Tierarten. Mit den besonderen ökologischen Bedingungen bieten sie gefährdeten Arten eine neue Heimat in den intensiv genutzten Landschaften. Sie bilden damit wichtige „Trittsteine“ in den intensiv vernutzten Agrar- und Waldfluren.

Oftmals befinden sich die Gesteinsabbaugebiete direkt an den Wanderkorridoren der Wildkatze oder in deren Nähe, u. a. den Talhängen entlang der Fließgewässer, geschlossenen Waldgebieten und können damit in diese eingebunden werden. Das Computermodell „Wildkatzenwegeplan“ kann zwar dazu Denkanstöße geben, aber das Wissen und die Erfahrungen der Erkennenden um die Sache nicht ersetzen.

Der aufgelassene Steinbruch Hirschbach liegt im Verbreitungsgebiet der Wildkatze und am Rand eines Wildkatzenkorridors, er könnte dort integriert werden. Gesteinsabbaugebiete in offenen Agrarlandschaften könnten als Trittsteine mit Hecken und Feldgehölzen an geeignete vorhandene Wildkatzenkorridore angebunden werden.

Der aufgelassene Steinbruch Vachdorf liegt in einem ausgeräumten Agrarflur im Verbreitungsgebiet der Wildkatze und in der Nähe eines Wildkatzenkorridors. Durch die Anlage von Heckenstreifen könnte dieses Gesteinsabbaugebiet mit den Wildkatzenkorridoren verbunden werden.

Natürliche Wanderkorridore, die von Gebietskennern als solche erkannt werden, können auch als Wildkatzenwege mit deren Ruheinseln entwickelt werden, wenn diese auch außerhalb des Computermodells „Wildkatzenwegeplan“ liegen. Der in Betrieb befindliche Steinbruch Rentzschmühle befindet sich außerhalb des Verbreitungsgebietes der Wildkatze und weitab von einem Wildkatzenkorridor. Das Tal der Weißen Elster mit seinen waldbestockten und felsdurchsetzten Talhängen ist aber ein potenzieller Wanderweg der Wildkatze. Diese Vermutung von Gebietskennern wurde durch einen genetischen Wildkatzen Nachweis (Haare an einem Lockstock) am Fuß des Nelkensteines am Rand des Steinbruches bestätigt.

Eine Wildkatze hat also schon einmal „vorbeigeschaut“ und einen Lebensraum für sich erkundet. Nach der Auflassung dieses Steinbruches könnte er als Ruheinsel für die Wildkatze entwickelt werden.

Aufgelassene Gesteinsabbaugebiete können damit als Ruheinseln eine wichtige Funktion in den Wildkatzenkorridoren übernehmen.

Ich bin angekommen

Wenn wir Menschen eines Tages den Eigenwert der Natur und deren Geschöpfe ehrlich und konsequent akzeptieren, dann werden wir auch in der Lage sein, die von uns in die Natur geschlagenen Wunden zu heilen. Gesteinsabbaugebiete werden dann auch für die Wildkatze und deren Weggefährten Inseln der Ruhe sein können.

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bedanken bei Thomas Mölich (Hörselberg – Hainich) für seine fachlichen Hinweise; Ilona Grimm (Plauen) und Frank Baumann (†) (Kauschwitz) für ihre Unterstützung bei der Umsetzung des Projektes „Wildkatzensprung“ im Vogtland; Reimund Francke (Chemnitz), Jens Nixdorf (Scharfenstein) und Andreas Schumann (Reichenbach) für die Bereitstellung ihrer Fotos.

Quellen

  • Reimund Francke (Chemnitz)
  • Jens Nixdorf (Scharfenstein)
  • Wolfgang Riether (Annaberg-Buchholz)
  • Andreas Schumann (Reichenbach)
  • Bundesamt für Naturschutz (BfN)
  • BUND e. V.
  • NASA
  • www.wildkatzenwegeplan.de

Der Autor

Wolfgang Riether
Dipl. Ing., Freiberufler für
ökologische Projekte

Seit Jahrzehnten im Naturschutz engagiert.

Arbeitet freiberuflich für das „Lebensraum Erzgebirge“-Büro für ökologische Projekte, Naturfotografie und Mediengestaltung.

Versucht, die Wechselwirkungen des Naturhaushaltes zu erforschen und zu spüren/zu erkennen, was „die Erde im Innersten zusammenhält“.

Leitgedanke: Natur-Schutz ist Schutz der Natur und seiner natürlichen Prozesse und wird getragen von der Liebe zur Natur.

Initiator des BUND-Projektes »Wildkatzensprung« im Freistaat Sachsen.