Demitz-Thumitz

Den Stein ins Rollen bringen – das GRANITDORF DEMITZ-THUMITZ (SN)

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  • Teilnehmer einer Granitdorf-Führung probieren sich an Steinbearbeitung (Foto: Jörg Krause)
  • Platzgestaltung „Granit und (Ritter-)Gut“ im Ortsteil Pohla-Stacha - Beginn und Ende des „Steinbrecher-Pfades“ nach Demitz-Thumitz (Foto: Hilke Domsch)

Das Lausitzer Granitmassiv bildet mit fast 4.500 km2 die größte zusammenhängende Granitfläche Mitteleuropas. Das Gebiet um den Klosterberg zwischen Demitz-Thumitz und Schmölln entwickelte sich im Zusammenhang mit dem Bau der Eisenbahnstrecke Dresden-Görlitz ab 1844 zum bedeutendsten und größten Abbaugebiet in Sachsen. Die stetig steigende Nachfrage nach Graniterzeugnissen führte zur Erschließung vieler Brüche. 

Demitz-Thumitz gilt als authentisches Steinbrecherdorf und steht als Zeugnis für den ältesten, größten und noch heute – vor allem mit dem von der Basalt-Actien-Gesellschaft (Basalt AG) betriebenen – aktiven Granitabbau in Sachsen. Der Ort ist geprägt vom gewaltigen Demitz-Thumitzer Viadukt und weist bau- wie kulturgeschichtlich eine Vielzahl besonderer Bautypiken und Denkmäler auf. Viele Erfindungen und Patente in Bezug auf Steingewinnung und -verarbeitung haben ihren Ausgangspunkt in Demitz-Thumitz. So wurde hier z. B. einst die modernste Kabelkrananlage in Deutschland installiert.

Mit dem Gewinn des Wettbewerbs „Sachsens Erlebnisdörfer“, eine durch das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie begleitete Initiative, wurde Demitz-Thumitz 2009 zu einem von vier Pilotvorhaben erklärt. Ziel der Initiative ist eine touristische Attraktivitätssteigerung auf Basis örtlicher Besonderheiten. Seitdem arbeiten die Bürgerschaft von Demitz-Thumitz, die Gemeindeverwaltung, Unternehmer, darunter auch die Basalt AG, potenzielle Leistungsträger sowie externe Fachberater gemeinsam daran, das, was Demitz-Thumitz über viele Jahre hinweg geprägt und geformt hat, sprich die Steinindustrie, so zu gestalten, dass dessen Wert ganzheitlich erfahrbar und das Steinbrecherdorf touristisch wieder attraktiv wird. Basisgedanke bei diesem Projekt ist das aktive Erleben, Erfahren und Bilden. Ein Themendorf sollte entstehen.

Granit als einendes Thema. Durch den gesamten Ort Demitz-Thumitz zieht sich „eine Spur der Steine“. Die evangelische wie auch die ehemals katholische Kirche sind von den Grundmauern bis zur Dachkante aus Demitzer Granodiorit gebaut. Rittergüter mit Granitverbauung, ein talüberspannendes Eisenbahnviadukt und eine Steinsäge mitten im Dorfzentrum zeugen von der regionalen Bedeutsamkeit dieses Baustoffs. Eine der ältesten Steinmetzschulen Deutschlands bildet seit über 100 Jahren Fachleute aus. Noch immer ist der Beruf des Steinmetz und des Steinbruchschmieds im Ort vertreten. Diese und viele weitere Gegebenheiten bieten zahlreiche Möglichkeiten, Stein mit allen Sinnen und auf verschiedenen Wegen zu erfahren.

Granitroute. In diesem Sinne ist neben einem Steinbrecherpfad und der Klosterbergroute eine Granit­route quer durch das Dorf entstanden. Besucher können Fühlsteine mit unterschiedlichen Bearbeitungsoberflächen betasten, ein übergroßes Stein-Xylophon erklingen lassen oder in einem Summstein laute und leise Töne erzeugen. Das Bearbeiten zweier großer Steinquader aus Granit und Sandstein mit Hammer und Meißel verdeutlichen die unterschiedlichen Härtegrade der beiden Steinarten. Ein lebensgroßes historisches Steinbruchfoto dient als Kulisse für Besucherfotos. Die Beschilderung erfolgt mit Granitstelen.

Granit „aktiv“. Das Granitdorf bietet mit seinem Hausberg, dem Klosterberg, einen Überblick über Geschichte und Gegenwart des Steinabbaus auf engstem Raum. Mehr als 20 aufgelassene und zwei aktive Brüche können mit der Klosterbergroute erwandert werden. Die Bergbaufolgelandschaft bietet mit Fels- und Haldenbiotopen zahlreiche Entdeckungsmöglichkeiten. Auf der „Granitroute per Rad“ kann ein Teil des Lausitzer Granitmassivs in seiner Ausprägung als Industrie- und Kulturraum erkundet werden. 

Auf einem grenzüberschreitenden Themenradweg „Glas – Granit“, welcher seinen Ausgangspunkt in Demitz-Thumitz hat und bis ins polnische Riesengebirge reicht, können auf neun Etappen Sehenswür-digkeiten erfahren werden. Entstanden ist dieses besondere Projekt aus einer länderübergreifenden Zusammenarbeit zwischen dem Granitdorf in Sachsen und Piechowice in Polen. Gefördert mit Geldern der Europäischen Union entstanden in Piechowice ein Gläserner Garten und im Granitdorf das Erleb-nismuseum „Alte Steinsäge“. Diese ehemalige Steinschleiferei mitten im Ortszentrum wurde bis Ende der 1990er Jahre noch aktiv betrieben. Seitdem lag das Areal brach. Heute bilden Gelände und eine authentische Werkstatt atmosphärisch dicht die Arbeitsweise einer Steinverarbeitung ab, unterstützt durch historische Filmdokumente und einer arbeitstypischen Geräuschkulisse. 

Stein-Gut. Nicht nur der heimische Demitzer Granit (Granodiorit), sondern auch regionaler Naturstein findet sich im Granitdorf als Schauobjekt oder als bespielbare Themenfläche im Ort wieder. 

In enger Zusammenarbeit mit der Sächsischen Steinmetzschule und Fachoberschule für Gestaltung sowie der Landesinnung des Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerks Sachsen entstand die Stein-Stahl-Installation „Dem Himmel so nah“ vor der evangelischen Kirche. Eine Balustradeneinfassung für ein Steinarbeiterdenkmal auf einer gemeinde­eigenen Fläche wurde ebenso geschaffen wie gestaltete Steinobjekte auf den Flächen der Steinmetzschule. 

Weitere Platzgestaltungen wurden im Rahmen des Projektes initiiert. So wurde der Platz „Tag der Deutschen Einheit“ neu gefasst und gestaltet. Für das Bahnhofsareal als „Eintritt ins Dorf“ liegen bereits Gestaltungsideen vor. Eine Umsetzung kann erst nach Klärung der Eigentumsverhältnisse erfolgen. Ähnlich steht es um die Restaurierung und Wiederherstellung der Denkmalsfläche „Opfer der Steinar-beiter“ in der Nähe des Großen Bruchblicks auf der Granitroute.

Bereits fertiggestellt wurde eine bespielbare Themenfläche unter dem Motto „Granit und (Ritter-)Gut“ mit Mitteln der Sparkassenstiftung und der Gemeinde Demitz-Thumitz. In unmittelbarer Nachbarschaft des auf Privatinitiative restaurierten Rittergutes/Barockschlosses von Pohla-Stacha bildet ein als Mehrgenerationenplatz konzipiertes Areal Anfangs- und Endpunkt des Themenweges „Steinbrecherpfad“. Die gebogene Wegeführung mit Granitpflastereinbindung symbolisiert den nicht geradlinig verlaufenden Werdegang der Granitindustrie in der Region. Mit der Gestaltung wird die Idee des Granitdorfes auf den Punkt gebracht: Moderne kombiniert Tradition und lädt zu Aktion ein.

Fest-Gestein. Neben den durchgehend zugängigen Besuchsmöglichkeiten bietet das Granitdorf verschiedene wiederkehrende Aktionen an. Alle zwei Jahre an einem Septemberwochenende können am „Tag zum „Offenen Granitdorf““ Menschen und Maschinen in Aktion erlebt werden. Mit Unterstützung der Basalt AG öffnen sich dann aktive Steinbrüche, Steinmetzschule, Granitkirchen und Werkstätten für Besucher. Zahlreiche Steinaktivitäten werden angeboten. Stein kann kreativ bearbeitet und mit nach Hause genommen werden. Es gibt Scharriereisenzielwurf, eine lebende Steinmetzwerkstatt, Dumper- und Radladermitfahrten für Kinder, Schausprengen und kulinarische Angebote wie „Süßer Pflasterstein“, „Steinmetzbrot“ oder „Schauer-Power“. 

Im Wechsel dazu und ebenfalls im Zwei-Jahres-Rhythmus präsentieren sich zum „Tag des offenen Denkmals“ vier Rittergüter und ein Steinmetzhof. Sie führen in die landwirtschaftlich geprägte Geschichte des heutigen Granitdorfes zurück und verweisen mit der Kunst des Steinbearbeitens auf die heute noch gelebte jahrhundertealte Handwerkskunst. Alljährlich am 4. Advent bietet ein aufgelassener Bruch auf dem Klosterberg zusammen mit alten Weihnachtsweisen und Weihnachtsfeuer, Glühwein und Rostbratwurst weihnachtliche Atmosphäre.

Im August jeden Jahres wird eine eigene Bierkreation gefeiert und verkostet. Das „Steinmetzbräu“ entstand in Zusammenarbeit mit einer kleinen regionalen Brauerei. Deshalb repräsentiert das Getränk nicht nur das Granitdorf, sondern eine ganze Region.

Schmuck-Stein. Im Rahmen der Themendorfentwicklung stand auch die Frage nach „Design mit Stein“. Granit sollte allein oder in Verbindung mit anderen Materialien verarbeitet und als Souvenir oder Kunstprodukt angeboten werden. Aus einer Fülle an Ideen wurden letztendlich vier verwirklicht und in ihrer Unterschiedlichkeit für verschiedene Zielgruppen produziert. 

Es entstand eine Kunstinstallation „Die heilige Familie“ aus Holz und Granit, welche jetzt in der evange­lischen Kirche gezeigt wird. Unter Mitwirkung des Schulleiters der Steinmetzschule wurde eine Schmuckkollektion – Ohrringe, Kette, Ring – entwickelt. 

Gemeinsam mit einem Holzdesigner wurde ein Baukasten „Granit“ gestaltet.

Granit-Genuss. Als weiterer Baustein des Projektes dient das Prinzip „Liebe geht durch den Magen“. 

So kann der Gast nach einer Führung durchs Dorf und die Brüche Stärkung bei einem typisch-rustikalen Steinbrechermahl finden mit Spezialitäten wie „Steinmetzbräu“, der Granitschnaps „Schauer-Power“ oder der „Süße Pflasterstein“. 

Öffentlichkeitsarbeit. Alle Aktivitäten, Einzelprojekte und Teilschritte wurden über Pressemitteilungen und im Internet veröffentlicht. Außerdem wurden zwei Ausstellungen konzipiert und in der Umsetzung begleitet. Jahreskalender mit thematischen Bildern und Texten wurden ebenso herausgebracht wie eine Broschüre zu den Rittergütern oder zur Geschichte von Demitz-Thumitz. Auf verschiedenen Foren und Veranstaltungen präsentierten und diskutierten Vertreter des Granitdorfes und warben für ihre Ideen. 

Um für die Besucher gut vorbereitet zu sein, absolvierten etwa 15 zukünftige Gästeführer einen halb-jährlichen Fachkurs für Landtourismus.

Neu etabliert wurde auch eine Winterakademie für Gesellen und Meister aus dem Steinmetzhandwerk. Sie orientiert sich am aktuellen Weiterbildungsbedarf der Fachleute und findet in der Steinmetzschule statt. In „Steinmetzen für jedermann“ können erste Handgriffe des Handwerks erlernt werden.

Stein-Reich. Das neueste Projekt beschäftigt sich mit einem Indoor-Erlebnisspielplatz für Kinder von 3 bis 13 Jahren. Zukünftig könnte ein Spiel-Steinbruch mit Untertagewelt, Experimentierräumen und themenbezogenen Spielräumen neugierige Entdecker auf eine interaktive Erlebnisreise witterungsunabhängig schicken. Inspiriert wurde die Idee vom „Steinzeichen-Park“ in der Nähe von Hannover.

Fazit. Der Stein ist im Granitdorf Demitz-Thumitz ins Rollen gekommen. Neue, überraschende wie aktive Erlebensräume wurden und werden geschaffen oder in Szene gesetzt. Menschen, die seit Generationen von der Arbeit im Stein geprägt sind, finden zu einer neuen Identität und Aufgabe. Ehrenamtliches, unternehmerisches und politisches Engagement führen zu Wertschöpfung und Selbstbewusstsein. Neben einer touristischen Inwertsetzung eines steinigen Themas ist dies vor allem ein Gewinn für die Menschen vor Ort.

Die Autorin

Hilke Domsch

ehem. Projektmanagerin Granitdorf Demitz-Thumitz

Geokompetenzzentrum Freiberg e.V.

 

 

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