Morkepütz

Eine Wärmeinsel im Bergischen Land

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  • Südexponierte Abbruchwand mit vorgelagertem Magerrasen (Foto: Frank Herhaus)
  • Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus), (Foto: Frank Herhaus)
  • Blockschutthalde (Foto: Frank Herhaus)
  • Raupe des Kreuzkraut-Bären (Tyria jacocaeae), (Foto: Frank Herhaus)

Grauwacke im Bergischen Land

Die Menschen im Bergischen Land waren schon immer reich – reich an Steinen. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden die als Grauwacke abgebauten Steinvorkommen nur lokal und kleinflächig für den Eigenbedarf genutzt, z. B. für Grundmauern von Häusern oder Dorfeinfriedungen („Schweinemauer“).

Mit Beginn des Eisenbahnbaus gegen Ende des 19. Jahrhunderts, dem damit einhergehenden erhöhten Bedarf an Schottermaterial und den besseren Transportbedingungen stieg der Bedarf an Steinmaterial rapide an (BRINKMANN UND MÜLLER-MINY 1964, FAULENBACH 1950). Die Steinindustrie im Bergischen Land, einem der größten zusammenhängenden Gebiete mit devonischen Grauwacke-Vorkommen, konnte sich so zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickeln. Auch die Industrialisie­­­r­ung des nahe gelegenen Ruhrgebietes sowie der stetig wachsende Bedarf an Rohstoffen für Bauzwecke und Verkehrswege führten, insbesondere durch den Bedarf an Pflastersteinen, zu einem Aufblühen der Steinindustrie um die Jahrhundertwende (19./20. Jh.). Bruchsteine aus dem Steinbruch Morkepütz wurden u. a. bei der Uferbefestigung des Deutschen Ecks in Koblenz verwendet.

Das Steinbruchgelände

Der Steinbruch Morkepütz liegt bei Wiehl (Oberbergischer Kreis; NRW) im Mündungsbereich des Alpetals in das Wiehltal (198 bis 282 m über NN). Daraus ergibt sich eine Höhendifferenz von etwa 84 m. Das Gelände hat eine Ausdehnung von etwa 400 m in West-Ost-Richtung und ca. 250 m in Nord-Süd-Richtung; es umfasst eine Fläche von ungefähr 8 ha. 

Die Aue des Alpetals ist in diesem Bereich etwa 30 bis 40 m breit. Von hier aus wurde der Steinbruch in den Berg nach Norden vorgetrieben, wo heute nahezu vertikale Steilwände zu finden sind. Stellenweise sind die Wände recht instabil, sodass es kleinflächig ständig zu morphologischen Veränderungen kommt. Die das Gebiet nach Norden begrenzende Abbauwand weist im Zentrum eine Höhe von fast 35 m auf; sie stellt geomorphologisch eine steile Kante in der Landschaft dar, die vom gegenüberliegenden Bergrücken aus deutlich sichtbar ist. Nach Westen und Osten nimmt die Höhe dieser Steilwand ab und läuft jeweils in die ursprüngliche Geländeoberfläche aus.  Im Steinbruch befinden sich zwei größere ehemalige Abbausohlen. Während die untere nur eine Größe von rund 1000 m² aufweist, ist die obere, aus zwei Teilflächen bestehende Sohle mehr als doppelt so groß. Die ebenen oder leicht geneigten Sohlen weisen eine Schotterbefestigung mit einsetzender Bodenbildung auf, der nackte Felsboden tritt hier nur randlich zutage. 

Geschichte des Steinbruchs

Die Nutzung des Steinbruchs begann – ohne es konkretisieren zu können – Ende des 19. Jahrhunderts und endete 1964. Die ersten Abgrabungen befanden sich in unmittelbarer Nähe der Alpetalstraße. Der an dieser Stelle begonnene kleine Bruch mit einer niedrigen Steilwand ist topografisch noch zu erkennen, großenteils aber mit Haldenmaterial verfüllt.

Erst im Jahr 1932 erhielt der Steinbruchbetrieb eine Brecheranlage, womit das als Handschlag in der Anfangszeit nicht nutzbare und in zeitweise mächtigen Halden abgelagerte Steinmaterial zu Straßen- oder Bahnschotter gebrochen werden konnte. Diese ehemaligen großen Abraumhalden sind heute nicht mehr zu erkennen. Die Gebäudereste des alten Brechers jedoch sind noch vorhanden und befinden sich etwa 30 m oberhalb der Talstraße. Zeitlich fällt die Einrichtung der Brecheranlage mit dem Eisenbahnbau im Wiehltal zusammen. Im Jahr 1975 wurden ein Teil der Brecheranlage mit der Laderampe, die Schmiede und ein Aufenthaltsraum abgerissen. Durch Verordnung des Regierungspräsidenten Köln erfolgte am 20. Juni 1990 die Unterschutzstellung des Geländes. 

Wärmeinsel im Wiehltal

Bei dem Steinbruchgelände handelt es sich um eine nach Süden exponierte und geöffnete Hohlform. Durch diese Kesselform ist das Gelände – bis auf die oberen Steilwände und die Oberkante – gegenüber den vorherrschenden Südwest- bis Westwinden relativ windgeschützt. Die Exposition des Steinbruchgeländes hat eine intensive Sonneneinstrahlung und damit eine erhebliche Erwärmung des Geländes zur Folge, insbesondere auf den unbewachsenen Haldenstandorten und an den Steilwänden. Im Steinbruch finden sich allerdings auch Bereiche, die nordexponiert sind, sodass kleinflächig größere Temperatur- und Feuchtigkeitsunterschiede auftreten (HERHAUS 1994).

Pflanzenwelt

Durch das räumlich enge Nebeneinander unterschiedlichster Standortbedingungen reicht die Vegetationsausbildung des Steinbruchs von nahezu vegetationslosen, nur mit einigen Moosen oder Flechten bewachsenen Stellen bis hin zu mehrschichtigen Sukzessions-Waldbeständen. Neben der Heterogenität der Kleinstandorte entstehen auch durch die Dynamik des Gesteins ständig neue Wuchsplätze, während alte vergehen. 

Für viele Pflanzenarten haben sich vor allem südexponierte Steinbrüche wegen ihrer günstigen klimatischen Verhältnisse als besondere Refugien erwiesen. Im Steinbruch Morkepütz konnten mehr als 200 Farn- und Blütenpflanzen und über 30 Moosarten ermittelt werden. Einige der nachgewiesenen Arten sind besonders charakteristisch für den trockenen Standort. So kommt das Silber-Fingerkraut (Potentilla argentea) im Oberbergischen nur an Bahnhöfen, in Steinbrüchen und einem sehr felsigen, mageren Bereich vor. Die Art besiedelt sommerwarme, mäßig trockene und lockere Kies- und Stein-, aber auch Lehmböden und kann als typische Steinbruchart charakterisiert werden. Die wärmeliebende Filz-Rose (Rosa tomentosa) findet sich vornehmlich an besonnten, mäßig trockenen Standorten. GALUNDER (1990) gibt die Art nur für acht Messtischblatt-Quadranten im Kreisgebiet an. Als weitere im Oberbergischen sehr seltene und im Steinbruch Morkepütz vorkommende Art ist die thermophile Großblütige Königskerze (Verbascum densiflorum) anzuführen. Sie gedeiht hier auf einer wenig bewachsenen Abraumhalde.  

Tierwelt des Steinbruchs

Im Untersuchungsgebiet wurden bislang mehr als 220 Großschmetterlingsarten nachgewiesen. Davon befindet sich rund ein Zehntel auf der Roten Liste des Landes Nordrhein-Westfalen (DUDLER ET AL. 1999).  

Der an magere, extensiv genutzte Wiesen oder Wegsäume angepasste Schachbrettfalter (Melanargia galathea) ist im Steinbruch regelmäßig anzutreffen. Die Imagines fliegen gerne die Blüten von Flockenblumen, Disteln oder Habichtskräutern (Hieracium) an, die alle im Steinbruch Morkepütz vorkommen. Der Schachbrettfalter lässt seine Eier meist einzeln auf den Boden fallen, die Raupen ernähren sich später von grünen oder auch welken Grasblättern. 

Eine recht starke Population weist der gelbe Blütenfarben präferierende Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus) als häufigste Lycaenidenart im Steinbruch auf. Als Pionier tritt er vielfach an Stellen auf, die von der Leguminose Gemeiner Hornklee (Lotus corniculatus) als Raupenfutterpflanze besiedelt werden. Von den wärmeliebenden Zygaeniden findet sich im Steinbruch das Sechsfleck-Widderchen (Zygaena filipendulae). Diese Schmetterlingsfamilie ist durch ihre sehr komplizierten Entwicklungszyklen gekennzeichnet, die sich bei manchen Arten über mehrere Jahre erstrecken und durch Tageslänge und Temperatur beeinflusst werden (WIPKING 1988).

Der Steinbruch Morkepütz war einer der ersten Standorte des in landwirtschaftlichen Betrieben mittlerweile bekämpften Jakobs-Kreuzkrautes als Futterpflanze des Kreuzkraut-Bären (Tyria jacobaeae). Aus der Familie der Grillen kommt die Waldgrille (Nemobius sylvestris) in großer Anzahl im Steinbruch vor. Sie ist flugunfähig und hält sich überwiegend auf den locker bewachsenen Halden – hier allerdings auf den leicht von Gehölzen beschatteten Flächen – auf, wo sie meist zwischen Steinen und Falllaub anzutreffen ist. Aufgrund ihrer hohen Wärmeansprüche kann sie in dem stark atlantisch getönten Klima des Oberbergischen Landes als nicht sehr häufig bezeichnet werden. Das Vorkommen der Buckelzikade (Centrotus minutus) ist das bislang einzige im Oberbergischen Land. 

Seit etwa zehn Jahren ist der Uhu (Bubo bubo) Brutvogel in der Steilwand des Steinbruchs. Er lässt sich dort regelmäßig beobachten, allerdings konnte nicht in jedem Jahr eine Brut nachgewiesen werden. 

Naturschutzbedeutung des Steinbruchs

Das Naturschutzgebiet Steinbruch Morkepütz bietet im atlantisch geprägten Oberbergischen Land einen Lebensraum für xero- und thermophile Tierarten. Innerhalb der Fauna ist vor allem durch das reiche Blütenangebot, die Strukturvielfalt und die Trockenheit ein verstärktes Auftreten von gefährdeten Arten zu verzeichnen.

Die Ausweisung des Steinbruchs als Naturschutzgebiet wurde im Wesentlichen durch die lepidopterologischen Untersuchungen von KINKLER (1982 a – c) forciert. Ausschlaggebend für die Unterschutzstellung waren vor allem

  • die hohe Artenvielfalt an Schmetterlingen,
  • das Vorkommen seltener und bedrohter Arten,
  • der Schutz der Fläche vor alternativen Nutzungen,
  • die Sicherung eines Steinbruchs als repräsentativer Lebensraum,
  • der geologisch-wissenschaftliche Wert unddie Erhaltung eines Reliktes zum Gesteinsabbau im Oberbergischen aus kulturhistorischer Sicht.

Die allgemeine Tatsache, dass Naturschutzgebiete herausgehobene Naturobjekte in einer dicht besiedelten Landschaft sind (HAARMANN UND PRETSCHER 1993), trifft auch für das Untersuchungsgebiet zu. Der Steinbruch dient als Trittsteinbiotop für Arten, die in Lebensräumen mit ähnlicher Struktur und Artenzusammensetzung vorkommen. Um diese Bedeutung zu erhalten, werden in Kooperation zwischen der Basalt AG, dem Oberbergischen Kreis und der Biologischen Station Oberberg Pflegemaßnahmen durchgeführt. Hierzu zählen u. a.  

  • die Pflege des Magergrünlandes durch Beweidung mit der Wanderschafherde der BSO,
  • das Entbuschen zur Erhaltung der Offenlandbereiche und
  • die niederwaldartige Bewirtschaftung von Gehölzbeständen. 

Schließlich bleibt festzuhalten, dass das Untersuchungsgebiet für viele Arten, die in der den Steinbruch umgebenden Kulturlandschaft stark zurückgedrängt wurden, ein Rückzugsgebiet darstellt und dadurch ihr Überleben gesichert werden kann. Gleichzeitig dient es als Ausbreitungszentrum und muss mit ähnlich strukturierten Biotopen im Zusammenhang betrachtet werden.

Der Autor

Frank Herhaus,
Dipl.-Ökologe

Geboren 1966, studierte in Göttingen Forstwirtschaft und in Essen Ökologie. Seit 1992 ist er der Leiter der Biologischen Station Oberberg.

Literatur

RINKMANN, M. u. H. MÜLLER-MINY (1964): Der Oberbergische Kreis. Die Landkreise in NRW, Reihe A: Nordrhein, Bd. 6. Bonn.

DUDLER, H., H. KINKLER, R. LECHNER, H. RETZLAFF, W. SCHMITZ u. H. SCHUMACHER (1999): Rote Liste der gefährdeten Schmetterlinge (Lepidoptera) in Nordrhein-Westfalen. In: Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten: Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen, 3. Fassung.

FAULENBACH, G. (1950): In einem oberbergischen Grauwackebruch. In: HEYN, R. [Hrsg.]: Oberbergische Heimat – Ein Heimatbuch für Schule und Haus. Gummersbach.

GRIES, R. u. H. NICKE (2002): Die Wiehltalbahn. Nümbrecht.

HAARMANN, K. u. P. PRETSCHER (1993): Zustand und Zukunft der Naturschutzgebiete in Deutschland. Bonn-Bad Godesberg.

HERHAUS, F. (1994): Der „Grauwacke“-Sandsteinbruch NSG „Morkepütz“ im Bergischen Land – dargestellt unter dem Aspekt des Naturschutzes. 

Diplomarbeit, Universität-GHS Essen.

KINKLER, H. (1982 a – c): Gutachten zum aufgelassenen Grauwacke-Steinbruch bei Wiehl-Morkepütz mit 1. und 2. Nachtrag. Unveröffentlicht. Leverkusen.

WIPKING, W. (1988): Repeated larval diapause and diapause-free development in geographic strains of the burnet moth Zygaena trifolii Esp. Oecologia 77:557–564.

GALUNDER, R. (1990): Die Flora des Oberbergischen Kreises. Gummersbach.

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