Remschütz

Vom Sandwerk zum Natur­paradies

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  • Schrägluftbild Tagebau Remschütz (Quelle: Thüringer Landesbergamt / Thiel, 2009)
  • Kleines Flachgewässer mit Röhrichtbestand im grundwassernahen Sohlenbereich des aufgelassenen Kiessandtagebaus Lentschow (Foto: Dorothée Kunze)

Der 2004 stillgelegte und 2012 mit gezielten Eingriffen abschließend rekultivierte Sandtagebau Remschütz in Ostthüringen bietet mit seinen Sandsteinformationen nicht nur eine spektakuläre landschaftliche Schönheit, sondern entwickelt sich in Windeseile zu einem Highlight als Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten. In dem vorliegenden Artikel wird die Wandlung des Standortes von einem Industriebetrieb mit intensiver Rohstoffförderung hin zu einem besonderen Refugium für die Natur dargestellt. Die baulichen und bergbaulichen Maßnahmen im Zuge der Rekultivierung dienen dabei als Geburtshilfe für die Weiterentwicklung der Tier- und Pflanzenwelt im Rahmen der Wiedernutzbarmachung. Besonders die Kreuzkröte fühlt sich schon jetzt äußerst wohl am ehemaligen Standort der Basalt-Actien-Gesellschaft.

Rohstoffgewinnung

Der Sandtagebau Remschütz bei Saalfeld befindet sich naturräumlich und geologisch am südöstlichen Rand des Thüringer Beckens. Die ehemalige Gewinnungsstätte am Rand der Saaleaue erschloss in einem ca. 10 ha großen Areal am sogenannten Sandberg unterhalb des Mäuseberges feldspatreiche, mittel- bis grobkörnige Sandsteine innerhalb der Calvörde-Formation des unteren Buntsandsteins. Nur wenige Kilometer südlich beginnt bereits das Thüringer Schiefergebirge.

Aufgrund der tonarmen Ausbildung sowie der relativ geringen Festigkeit waren die Sandsteine aus Remschütz besonders als Rohstoff für die Bausandgewinnung geeignet.

Der Abbau des Sandsteines erfolgte an verschiedenen ca. 12 bis 15 m hohen Abbauwänden. Der Sandstein wurde mittels Bohren und Sprengen aus dem Gebirgsverband gelöst. Anschließend wurde das gesprengte Material mit Radladern auf LKWs verladen und zur Aufbereitungsanlage gefahren. Hier kippte man es in einen Sturzbunker, in dem Feinanteile über einen Stangenrost bereits vorabgesiebt wurden. Das restliche Material wurde mit Hilfe von Siebmaschinen in Korngrößen von 0 bis 2 mm klassiert und als Fertigprodukt auf Halden gelagert. Material größer als 2 mm wurde mit einem Hammerbrecher zerkleinert und erneut den Siebmaschinen zugeführt.

Die Gesteinsgewinnung am Sandberg in Remschütz reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Zu industrieller Bedeutung kam der Bergbau im Zuge einer Erweiterung des Abbaus im Jahr 1963.

Die Produktionsmenge von Bausand lag zum Beispiel 1982 bei 115.900 Tonnen. In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts lagen die Fördermengen bei bis zu 150.000 Tonnen pro Jahr. Um die Jahrtausendwende reduzierte sich die jährliche Menge auf wenige tausend Tonnen, bis schließlich die Produktion von Sand im Werk Remschütz im Jahr 2004 aus wirtschaftlichen Gründen gänzlich eingestellt wurde.

Der Sandberg bei Remschütz wurde in der über 100-jährigen Abbaugeschichte nahezu komplett abgetragen. Zu der schon zu DDR-Zeiten beabsichtigten Erschließung des östlich benachbarten Mäuseberges zu Zwecken der Sandgewinnung kam es nicht mehr.

Wiedernutzbarmachung

Als Grundlage für die Wiedernutzbarmachung diente der Landschaftspflegerische Begleitplan von 1994. Dieser sah die überwiegende Nachnutzung des Tagebaus Remschütz zu Zwecken des Naturschutzes vor. Die hierzu notwendigen Maßnahmen des Landschaftspflegerischen Begleitplans wurden zeitlich in Sofortmaßnahmen, begleitende Maßnahmen im Verlauf des Gesteinsabbaus sowie in eine Abschlussgestaltung unterteilt.

Überwiegend sollte sich die Natur das Tagebauareal „zurückholen“ (natürliche Sukzession). Darüber hinaus waren Sonderbiotope für spezielle Tiergruppen vorgesehen, z.B. Belassen von Felswänden, Schaffung von Feuchtstellen, Aufschüttung von Wällen.

Da sich seit Einstellung der Bergbauaktivitäten inklusive Rückbau der Aufbereitungsanlage und sonstigen Gebäude im Jahr 2004 die Natur im Tagebau Remschütz bereits etliche Bereiche zurückerobert hatte, war im Jahr 2010, als sich die Basalt-Actien-Gesellschaft für die dauerhafte Aufgabe des Bergbaus am Standort Remschütz entschied, zunächst die Feststellung des Status Quo der Landschaftspflegerischen Maßnahmen notwendig. Aufgrund der nicht vollständig erfolgten Sandgewinnung im Tagebau mussten einige Maßnahmen, für die eine Endstellung des Tagebaus notwendig gewesen wäre, sinnvoll angepasst werden. Diese Anpassungen sowie gezielte zusätzliche Maßnahmen erfolgten im Rahmen des Abschlussbetriebsplans, welcher dem Thüringer Landesbergamt in Gera als zuständige Genehmigungsbehörde zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt wurde und die abschließende Rückführung des Tagebaus in die Natur regeln sollte.

Als Grundvoraussetzung für das Ende der Bergaufsicht und damit letztlich des Bergbaus am Standort Remschütz galt die Herstellung eines Zustandes, wonach „nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr damit zu rechnen ist, dass durch den Betrieb Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter, für andere, oder gemeinschädliche Einwirkungen eintreten werden“ (§ 69 Abs. 2 BBergG). Faktisch bedeutete dies für den Sandtagebau vor allem die Sicherstellung von stabilen Böschungen sowie die Erschwerung eines unbeabsichtigten Betretens des Tagebaugeländes mittels Umzäunung, Beschilderung, Umwallung oder Schutzbepflanzung. Im Rahmen dieser sicherheitstechnisch notwendigen Maßnahmen bot sich noch ausreichend Spielraum, den Naturschutz zu unterstützen. Dank einer jederzeit offenen und fachlich orientierten Diskussion aller an der Ausgestaltung des Maßnahmenkonzeptes Beteiligten – hierzu zählen insbesondere das Thüringer Landesbergamt Gera, die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt, der NABU Kreisverband Saalfeld-Rudolstadt sowie die Stadt Saalfeld und das Baugeschäft Kutter als Folgenutzer des ehemaligen Bergbaugeländes – gelang es, zwischen den bergbaulichen Sicherheitserfordernissen und den Zielen der Arten- und Biotopentwicklung zu vermitteln.

Nachfolgend werden die wesentlichen Entwicklungen und Maßnahmen im Rahmen der Wiedernutzbarmachung erläutert.

• Sukzession
Die Sukzession spielt im Sandtagebau Remschütz seit Beginn der Gewinnungstätigkeit eine große Rolle. Aktuelle geologische Vorgänge verändern auch nach den bergbaulichen Tätigkeiten in kleinem Umfang stetig den Untergrund und sorgen dafür, dass nährstoffarme Böden vorherrschen und aufgrund von Wind und Wasser – begünstigt durch die relativ schlechte Kornbindung des mürben Sandsteins – immer wieder von Neuem neue Lebensräume an den unterschiedlichsten Stellen geschaffen werden (Senken durch Erosion, Wälle und Schwemmfächer durch Sedimentation). Während der aktiven Betriebszeit war die Sukzession auf Flächen beschränkt, auf denen keine Gewinnungstätigkeit stattfand. Nach Beendigung der Produktion 2004 konnte sich die natürliche Sukzession vollständig auf dem Areal entwickeln.

Anlage von flachen Mulden, kleinen Wällen für die Entstehung von Kleingewässern
Auf den Verebnungsflächen des Tagebaus (sog. „Sohlen“ und „Bermen“) bieten Geländeunebenheiten ideale Voraussetzungen für temporär gefüllte Flachgewässer, die als Laichgewässer für Amphibien dienen. Aufgrund der Abbautätigkeit waren solche Stellen bereits vorhanden. Durch die gezielte Anlage von Mulden und Wällen wurde das Abfließen des Wassers vor allem in den höheren Abbaubereichen verlangsamt und damit auch die Erosion in Form von linienhaften Ausspülungen reduziert. Neben den ohnehin auf diesem Gelände zahlreich vorhandenen Trockenstandorten verschiedenster Exposition konnte mit dieser Maßnahme die Anzahl der Feuchtbiotope darüber hinaus wesentlich erhöht werden.

Auf den durch die Bergbautätigkeit entstandenen Abbauwänden sind im Laufe der Jahre bereits nährstoffarme flachgründige Böden entstanden. Im Rahmen der technischen Böschungssicherung wurden mehrere steile Abbauwände abgeflacht bzw. Überhänge mit losen Felsblöcken entfernt. Durch das Abflachen der Böschungen wird die Bildung von weiteren nährstoffarmen flachgründigen Böden gefördert, sodass die Herstellung dieser Initialflächen neben der technischen Sicherungsmaßnahme auch als Maßnahme mit naturschutzfachlicher Wirkung angesehen werden kann.

Im westlichen Tagebaubereich wurde eine südexponierte Felswand erhalten. Um die Sicherheit vor herabfallenden Steinen zu gewährleisten, entschied man sich für die Anlage eines Auffangwalles rund um die Felsfreistellung.

• Umbau eines Trafogebäudes zu einem Artenschutzturm
In Zusammenarbeit mit dem NABU Saalfeld-Rudolstadt wurde bereits 2004 ein ehemaliges Trafogebäude etwas außerhalb des Sandtagebaus als Artenschutzturm umgebaut. Der Umbau beinhaltete die Einarbeitung von Schlitzen und Öffnungen als Einschlupfmöglichkeiten für Fledermäuse und Mauersegler, das Einziehen einer Zwischendecke zur Verbesserung des Mikroklimas im Dachbodenbereich sowie die Schaffung von Spaltenquartieren im Firstbereich des Dachbodens durch Anbringen von Brettern. Der NABU Saalfeld-Rudolstadt führte die Maßnahme fachgerecht durch. Die Basalt-Actien-Gesellschaft finanzierte die notwendigen Materialien und Aufwendungen.

Weitere Entwicklung des ehemaligen Tagebaugeländes - Hohe Erwartungen an die Kreuzkröte

Mit dem Abschluss der bergbaulichen Wiedernutzbarmachung, manifestiert durch das Ende der Bergaufsicht im Jahr 2012, beginnt ein neuer Abschnitt für den Tagebau Remschütz. Abgesehen von einer kleinen Fläche im Westen, die als Lagerfläche für ein Bauunternehmen dient, hat die Natur alle Möglichkeiten sich weiterzuentwickeln. Schon während des Abbaus entfaltete sich ein reiches Artenspektrum. Unter anderem konnten im Rahmen von Erfassungen aus dem Jahre 1993 und 2015 Hausrotschwanz, Neuntöter, Ringelnatter, Zauneidechse, Kreuzkröte, Knoblauchkröte, Wechselkröte, Schwalbenschwanz und diverse Libellen-, Schmetterlings- und Wildbienenarten dokumentiert werden. 

Die mit Bedacht gewählten Eingriffe im Zuge des Abschlussbetriebsplanes sollen die für den Standort charakteristischen und insbesondere auch die bedrohten Tierarten langfristig stärken. Die Kreuzkröte (Bufo calamita) steht dabei stellvertretend für den schon jetzt eingetretenen Erfolg der Maßnahmen während und nach der Sandgewinnung. Sie hat sich mittlerweile zu einer Art Wappentier für den Sandtagebau Remschütz entwickelt. Die Bestände der streng geschützten Pionierart sind in Thüringen rückläufig. Die Ausdünnung der Vorkommen in der Fläche führt zu einer zunehmenden Verinselung. Die Sandsteintagebaue in der Umgebung von Saalfeld dienen aufgrund ihrer Charakteristik (sandige Böden, Kleingewässer, vegetationsarm, Sukzessionsentwicklung) als wertvolle Sekundärbiotope für die Erhaltung und Stärkung der Kreuzkröte. Das Vorkommen in Remschütz hat überregionale Bedeutung erlangt. Es ist eines von nur fünf Arealen in Thüringen, das als Stichprobenfläche Bestandteil des Bundesmonitorings für Kreuzkröten ist. Die ersten Zwischenergebnisse des Monitoringprogramms bestätigen nicht nur eine hohe Eignung der Fläche für die Kreuzkröte, sondern belegen auch den derzeitig hochwertigen Populationszustand bei geringen Beeinträchtigungen (kein Fischbestand, keine Flächenbewirtschaftung, gebremste Sukzession durch Nährstoffarmut, keine Verkehrswege im Umkreis von 250 m, geringe Bebauung im Umfeld).

Der Autor

M. Sc. Christian Papelitzky

Geboren 1984 in Starnberg; 2004 bis 2009 Studium der Ingenieur- und Hydrogeologie am Lehrstuhl für Ingenieurgeologie der Technischen Universität München. Studienabschluss im September 2009 als Master of Science Ingenieur- und Hydrogeologie. 2009 bis 2016 bei der Basalt-Actien-Gesellschaft, Hartsteinwerke Bayern-Mitteldeutschland, Abteilung Bergbauplanung. Seit Mitte 2016 bei der Kraft Dohmann Czeslik Ingenieurgesellschaft für Geotechnik mbH

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