Mayen

Naherholung im Biotop - Das Zweite Leben Eines Tagebaus

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  • Abb. 1: Fledermäuse
  • Abb. 2: Historisches Hangsilo

Wo einst geknäppert und gesprengt wurde, gibt heute das friedliche Summen der Bienen und lebendige Gezwitscher der Vögel einen Eindruck davon, wie wohl sich Hunderte Tier- und Pflanzenarten in ehemaligen Tagebauen fühlen. Insekten, Reptilien und Fledermäuse lieben den Schutz der Felswände, die ihnen Raum zum Leben geben. Einen Lebensraum, in den auch Wanderer und Erholungsuchende dank neu angelegter Routen entlang einstiger Gewinnungsflächen seltene geologische Einblicke erhalten. Was ein Steinbruch nach der Abbauphase in seinem „zweiten Leben“ zu bieten hat, mag viele überraschen. Es lohnt sich, diese Seiten am Beispiel des Basaltlavatagebaus „Mayen 784“ der Rheinische Provinzial-Basalt- und Lavawerke GmbH & Co. oHG (RPBL) einmal genauer zu betrachten. Das 88 Hektar große Gebiet rund um das ehemalige RPBL-Werk in den Gemarkungen Mayen, St. Johann und Ettringen im Landkreis Mayen-Koblenz, befindet sich seit dem Jahr 2015 in der Phase der Herrichtung und bietet ein enormes Potenzial für die Flora und Fauna.

Natur und Gesteinsabbau

Wie viele Naturgesteine dienen auch die Vulkangesteine Basalt und Lava unter anderem als Fundament unserer Infrastruktur, zum Beispiel beim Straßenbau. Das wissen wahrscheinlich die meisten Menschen. Welcher Artenreichtum an Pflanzen und Tieren allerdings im Steinbruch herrscht, dürfte den ein oder anderen erstaunen lassen. Was vielleicht im ersten Moment widersprüchlich klingen mag, ist für den aufmerksamen Naturbetrachter allerdings schon lange ein faszinierendes Zusammenspiel. Wenn das verwertbare Gesteinsvorkommen eines Tagebaus erschöpft ist, wird das entsprechende Gebiet renaturiert und rekultiviert. Das bedeutet, es wird so aufbereitet und der Natur zurückgegeben, dass der Nachwelt hochwertige Flächen hinterlassen werden. „Das ist sehr wichtig. Hier haben wir eine hohe Verantwortung, der wir uns auch immer bewusst sind und die wir verlässlich umsetzen“, erklärt RPBLGeschäftsführer Thomas Blau und ergänzt: „Viele der Flächen, auf denen in den vergangenen Jahrzehnten Natursteine gewonnen wurden, hat die Natur bereits zu großen Teilen zurückerobert.“

Geschichtliche Entwicklung

Dieser Prozess hat auch bereits im RPBL-Tagebau in Mayen eingesetzt, dessen Geschichte bereits um 1900 begann. Damals wurde aus dem St. Johanner Basaltlavastrom noch per Hand abgebaut. Die maschinelle Produktion folgte 1956 mit der Erstellung eines Hangsilos und damit die industrielle Gewinnung von Basalt. Seit dieser Zeit wurden dort aus hochwertigem Basalt Edelsplitte für den lokalen Straßenbau, als Betonzuschlagstoffe und Wasserbausteine zur Sicherung der Wasserwege hergestellt. Der Bau der Nachbrechanlage und die Förderung der Fertigprodukte in Hangsilos war damals eine sehr innovative Bauweise, die es ermöglichte, große Mengen an Splitten dort zu lagern und unter Ausnutzung der Schwerkraft an einen verkehrstechnisch gut zugänglichen Verladepunkt zu fördern. In den 1970er-Jahren wurde der Steinbruch um eine Vorbrechanlage erweitert – den Vorbrecher Krupp 18D, der zu diesem Zeitpunkt mit einer Maulweite von 1800 x 1600 mm und einem Eigengewicht von 160 Tonnen der größte deutschlandweit war. 1974 kam eine leistungsfähige Asphaltmischanlage hinzu. Eine Vorreiterfunktion hatte der Mayener Betrieb auch mit seiner Wassersteinproduktion, die hier bereits in den 90er-Jahren mithilfe eines Wasserbausiebs maschinell stattfand.

Lebensraum für Tiere & Pflanzen

Damit der Basaltabbau das Vogelschutzgebiet „Unteres Mittelrheingebiet“ und das Fauna-Flora-Habitat „Nettetal“ nicht beeinträchtig, sowohl während der Gesteinsgewinnung als auch in der Zeit danach, haben Fachgutachter zusammen mit öffentlichen Entscheidungsträgern in Rekultivierungs- und Renaturierungsplänen genauestens festgehalten, was zu welchem Zeitpunkt mit den verschiedenen Flächen passiert. Hier wird nichts dem Zufall überlassen, damit Ökonomie und Ökologie zeitnah Hand in Hand gehen und sich die Natur nach dem temporären Eingriff wieder erholt. Und das tut sie. Der ehemalige Tagebau bietet neben vielen weiteren Tierarten unter anderem dem Uhu, dem Neuntöter, der Heidelerche und dem Steinschmätzer Jagd- und Bruthabitate.

Im Rahmen der Untersuchung zum Abschlussbetriebsplan für den Tagebau Mayen wurde festgestellt, „dass die Abbautätigkeit nicht den Zielen des Vogelschutzgebietes widerspricht, da die Lebensräume für die genannten Arten erhalten bleiben und eher noch verbessert werden dürften.“ (Bischoff & Partner).

Nach dem Abbau, häufig sogar schon währenddessen, entstehen in den Tagebauen ökologische Nischen und es wachsen natürliche Biotope, die zum Zufluchtsort für vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten werden. Artenschutzfachliche Betrachtungen analysieren und dokumentieren akribisch alle Entwicklungen rund um die vorkommende und zu erwartende Tier- und Pflanzenwelt und legen fest, welche Maßnahmen getroffen werden, um diese zu schützen. Neben der Schaffung von Sekundärbiotopen sind auf Vorschlag des Naturschutzbunds Deutschland e. V. (NABU) im Steinbruch Mayen außerdem temporäre Amphibiengewässer angelegt worden.

Über eingeebnete Freiflächen freut sich besonders die Heidelerche. Um ihr diesen Lebensraum zu erhalten, wurden ausgewählte Flächen auf Wunsch des NABU nicht aufgeforstet und der forstliche Ausgleich außerhalb des Steinbruchs realisiert.

Wo Oberflächen gestaltet wurden, können sich nun nach und nach höherwertige Biotopstrukturen bilden. Aber auch die ungestörte Sukzession hat bereits wertvolle Pflanzen an den Steilwänden hervorgebracht; Gras- und Krautfluren konnten entstehen und sich ausbreiten.

Besonders gefährdete Arten profitieren von den spezifischen Lebensräumen, die ohne den vorgelagerten Abbau nicht entstanden wären. Durch die Größe des ehemaligen Abbaugebietes Mayen ergeben sich hier viele verschiedene Standortbedingungen für eine breite Flora und Fauna.

Naherholungsgebiet für Naturliebhaber

Seit rund fünf Jahren betreibt die RPBL nun die Abwicklung des Restbetriebes Mayen und die Sicherung und Wiederherrichtung der Flächen. Nicht nur, dass die Steinbruchflächen zukünftig vor allem als Schutzraum für bedrohte Tierarten dienen, sie werden auch zum Ort der stillen Naherholung für einheimische und touristische Naturliebhaber.

Das ehemalige Werksgebiet verfügt heute über geologisch herausragende Aufschlüsse vulkanischer Formationen, die bereits über Wanderwege erschlossen sind. Im Gebiet der „Ahl“ ist vor ca. 400.000 Jahren der Hochsimmer-Vulkan ausgebrochen und hat das Nettetal unter sich begraben. Das hat spektakuläre Gesteinsformationen hinterlassen. So ist in der „Vulkanparkstation Ahl“, in die der ehemalige RPBL-Tagebau integriert wurde, zum Beispiel die sogenannte Rosette zu besichtigen. Hierbei handelt es sich um ein einzigartiges, kreisrundes Ornament mit einem vom Mittelpunkt strahlenförmig ausgehenden, blattähnlichen Gebilde. Entlang der offenen Steilwand Richtung der Ortsgemeinde St. Johann zeigt sich ein weiteres Zeitfenster der geschichtlichen Entwicklung des Basaltabbaus in Mayen.

Auf dem St. Johanner Basaltlava-Strom, der sich aus dem Vulkan Hochsimmer in das alte Flussbett der Nette ergoss und dort zu mächtigen Basaltsäulen erkaltete, hat die RPBL im Sommer 2019 nach den Vorstellungen der Ortsgemeinde den Aussichtspunkt Johannesknecht errichten lassen. Ein neues Highlight für Wanderer und Freunde des Weitblicks an einem wahrlich sagenhaften Ort. Denn die Aussichtsplattform ist auch gleichzeitig ein Ort zum Gedenken an den „Johannesknecht“ und die „Dicke Train“– zwei vulkanische Spratzkegel, um die sich viele Mythen rankten. Da die beiden Sagenfelsen nicht in ihrer ursprünglichen Form erhalten werden konnten, soll nun der neue Aussichtspunkt an die Geschichte um die beiden Naturdenkmäler erinnern.

Der Sage nach trafen sich hier vor vielen Jahren regelmäßig der Knecht Johannes und seine geliebte Magd Katharina, genannt Train, bis ihnen ihre Geldgier zum Verhängnis wurde. Beim Versuch, an Reichtum zu gelangen, so sagt man, habe Johannes eine Kirche in St. Johann ausgeraubt. Als er seiner Train die Beute präsentieren wollte, folgte die Rache für die Tat auf dem Fuße. Ein Blitz traf die beiden und lies sie zu Stein erstarren – die beiden Felskegel, die von nun an als „Johannesknecht“ und die „Dicke Train“ bekannt waren.

Der Steinbruch als Wohnzimmer für Fledermaus & Co.

Von der Vorbrechanlage unterhalb des Aussichtspunktes steht nur noch der Abzugstunnel unter der alten Wasserbausteinaufbereitung, der als Rückzugsraum für Fledermäuse hergerichtet wurde. Dieses besondere „Wohnzimmer“ befindet sich mitten in einem der bedeutendsten Fledermausquartiere Mitteleuropas. Die unterirdischen Stollen bei Mayen und Mendig haben ihre Ursprünge im Bergbau der Römer. Wo zur Werksteingewinnung Stelen aus dem Boden gezogen wurden, entstanden Hohlräume, die sich zunächst als Bierlagerstätte für Brauereien eigneten und später zum Wohnraum für Fledermauspopulationen wurden. Nur an wenigen weiteren Stellen Mitteleuropas findet sich ein vergleichbares Vorkommen. Deutschlandweit lebt im Mayener Grubenfeld sogar die höchste Anzahl
und breiteste Vielfalt der nachtaktiven Tiere.

Der ehemalige Steinbruch Mayen, wo außerdem ein hohes Potenzial an Mauer- und Zauneidechsen besteht, ist nur ein Beispiel für geschaffene Lebensräume
bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Auch andere RPBL-Tagebaue sind dank ihrer Bruchwände und Rohböden einladende Lebensräume für viele Vögel wie die Uferschwalbe und den Uhu. Die schutzbedürftige Gelbbauchunke hat ebenfalls das Biotop Tagebau als neuen Lebensraum etabliert, der so wichtig ist für ihren Fortbestand.

So manchen Tagebau haben außerdem über hundert Wildbienenarten für sich entdeckt, die alle sehr unterschiedliche Nist- und Nahrungsansprüche haben. Besonders gut nistet es sich für die Biene in Löß. Einem lockeren Sediment, das häufig in Steinbrüchen der Eifel zu finden ist. Viele Wildbienenarten sind auf Steilwände als Nistplatz spezialisiert. So nistet beispielsweise die Gebänderte Pelzbiene ausschließlich in Abbruchkanten und Steilwänden. Fels- und Lößbesiedler sind dankbar für den Lebensraum Steinbruch, in dem Felsstrukturen und Schuttplätze ihnen die Gelegenheit bieten, unterzuschlüpfen und ihre Population zu verdichten.

So manchen Tagebau haben außerdem über hundert Wildbienenarten für sich entdeckt, die alle sehr unterschiedliche Nist- und Nahrungsansprüche haben. Besonders gut nistet es sich für die Biene in Löß. Einem lockeren Sediment, das häufig in Steinbrüchen der Eifel zu finden ist. Viele Wildbienenarten sind auf Steilwände als Nistplatz spezialisiert. So nistet beispielsweise die Gebänderte Pelzbiene ausschließlich in Abbruchkanten und Steilwänden. Fels- und Lößbesiedler sind dankbar für den Lebensraum Steinbruch, in dem Felsstrukturen und Schuttplätze ihnen die Gelegenheit bieten, unterzuschlüpfen und ihre Population zu verdichten.

Während wir also im ersten Leben eines Tagebaus wertvolle Ressourcen aus ihm gewinnen, wird er in seinem zweiten Leben sehr häufig zum Zuhause für
selten gewordene Lebewesen und dient dem Erhalt der Artenvielfalt. Renaturierte Steinbrüche bieten außerdem die Möglichkeit zu einer Zeitreise in die Vergangenheit. In eine Zeit des aktiven Vulkanismus‘, der geologische Spuren hinterlassen hat, die es an kaum einer anderen Stelle besser zu erforschen gelingt. Wer sich mit offenen Augen einlässt auf das Naturabenteuer
Tagebau, findet Naherholung im Biotop mit Faszinationscharakter.

Die Autorin

Alexandra Schneiders

geb. 1984, Assistentin der Geschäftsführung RPBL, 2003 – 2008 Studium der Germanistik und Soziologie an der Johannes Gutenberg- Universität Mainz, Abschluss Magistra Artium. Anschließend journalistisches Volontariat bei der Radio Group und Redakteurin/Reporterin bei RPR1. Bis 2015 Pressereferentin beim GesundLand Vulkaneifel. Seit 2015 bei Rheinische Provinzial-Basalt- und Lavawerke (RPBL) tätig als Assistentin der Geschäftsführung.

 

Literatur

Adobe Stock: Abb. 1, Abb. 6–9 & Abb. 15–17

RPBL: Abb. 2–5 & Abb. 10–14