Steinbruch Imhausen

Vertragsnaturschutz im laufenden Betrieb

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  • Symbolträchtig, aber nicht gestellt: Hydraulikbagger und Gewässerbiotop auf engstem Raum (Foto: Kern)
  • Luftbild des Steinbruches Imhausen (Foto: BAG)
  • Auch die Absetzbecken des Betriebes werden als Laichgewässer angenommen. (Foto: Kern)

Der Betrieb

Im Steinbruch Imhausen in der Gemeinde Windeck (Rhein-Sieg-Kreis, Nordrhein-Westfalen) wird seit 1932 Grauwacke abgebaut. Im Jahr 1992 hat die Basalt AG, Bergisch-Westerwälder Hartsteinwerke den Betrieb übernommen und gewinnt dort 350.000 t Gestein pro Jahr.

Die Grauwacke wird in einer Brech- und Klassieranlage zu verschiedenen Gesteinskörnungen sowie Baustoffgemischen aufbereitet und zum Teil direkt vor Ort in der Asphaltmischanlage der Rheinische Asphalt-Mischwerke GmbH & Co. KG, einer Beteiligung der Basalt AG, weiter veredelt. Weitere Absatzfelder sind der Straßen- und Landschaftsbau sowie die regionale Betonindustrie. In diesem industriellen und damit auf den ersten Blick lebensfeindlichen Umfeld hat sich ein Bestand der seltenen Gelbbauchunke angesiedelt.

Die Gelbbauchunke

Die Gelbbauchunken (Bombina variegata) sind in Nordrhein-Westfalen vom Aussterben bedroht und ihr Überleben ist von Naturschutzmaßnahmen abhängig (Rote Liste NRW von 1999: 1N). Die Art stößt in NRW an ihre nordwestliche Verbreitungsgrenze. So sind ihre Vorkommen fast ausschließlich auf die nördlichen Randlagen der Eifel, die südlichen Bereiche von Niederrheinischer und Westfälischer Bucht sowie die nördlichen Ausläufer des Bergischen Landes und das Weserbergland beschränkt.

Hinzu kommt, dass die Höhenverbreitung der Gelbbauchunke zwischen 50 m über NN und 450 m über NN liegt, was ihre Vorkommen zonal begrenzt (SCHLÜPMANN & GEIGER, 1998). Gerade durch den Rückgang an der Verbreitungsgrenze kommt es hier zur Aufsplitterung der Population in isolierte kleine Bestände. Der Rhein-Sieg-Kreis ist einer der letzten Verbreitungsschwerpunkte der Art in Nordrhein-Westfalen (SCHMIDT et al., 2005). Im südlichen Deutschland ist die Art weiter verbreitet, aber auch hier gehen die Bestände selbst in den Verbreitungsschwerpunkten stark zurück.

In ganz Deutschland ist die Art immer noch „stark gefährdet“ (Rote Liste BRD von 1998: 2). Diese Gefährdungs­situation hat dazu geführt, dass die Gelbbauch­unke auch für den Naturschutz auf europäischer Ebene eine Rolle spielt. Sie ist in den Anhängen II und IV der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie aufgeführt und streng zu schützen. Für ihren Erhalt sind besondere Schutzgebiete (FFH-Gebiete) auszuweisen. 

Die Gelbbauch­unke ist insgesamt über den größten Teil Zentraleuropas, die Apenninenhalbinsel und den Balkan verbreitet. Der Verbreitungsschwerpunkt innerhalb der EU liegt in Südeuropa. In Deutschland stößt sie an ihre nördliche Verbreitungsgrenze, hat hier aber immer noch einen erheblichen Anteil am Gesamtbestand. Deutschland trägt daher eine starke Verantwortung für den Erhalt der Gelbbauchunke in Europa (STEINICKE et al., 2002). 

Die natürlichen Lebensräume der Gelbbauchunke

Die Gründe für die starke Gefährdung der Gelbbauch­unke sind in den Ansprüchen zu suchen, die sie an ihren Lebensraum stellt. Sie besiedelte ursprünglich die Flusstäler, die sich durch eine ausgeprägte Gewässerdynamik auszeichneten. In diesem Primärhabitat (Ursprungslebensraum) verlagerten die regelmäßigen Hochwässer die Flussbetten, schufen neue Sand- und Kiesbänke sowie Kleingewässer. 

Diese ständig neu gestalteten Lebensraumstrukturen wurden von der als Pionierart bezeichneten Gelb­bauchunke besiedelt. Sie ist ausgezeichnet angepasst an die Nutzung solch junger Lebensräume (NÖLLERT & GÜNTHER, 1996). Hier gehört sie zu den ersten Arten, die die vegetationsarmen Flächen nutzen. Der Vorteil dieser Lebensräume ist unter anderem in dem geringen Druck durch Nahrungskonkurrenten und Fressfeinde zu sehen. Die Grundwassernähe führt außerdem zum regelmäßigen Auftreten von kleinen Pfützen und Hochwassertümpeln, die als Laichhabitat benötigt werden, da sich die Larven (Kaulquappen) nur im Wasser entwickeln können.

Allerdings sind sie durch relativ kurze Entwicklungszeiten an die teils ephemeren Gewässer angepasst. Die extreme Intensivierung der Landnutzung durch den Menschen hat das natürliche Lebensraumangebot der Gelbbauchunke drastisch reduziert. Es sind fast alle Flüsse in enge Betten gezwängt worden, sodass auch bei Hochwasser keine wesentlichen Umlagerungen im Flussbett mehr stattfinden. 

Die Ersatzlebensräume der Gelbbauchunke

Die Gelbbauchunke ist an ihre spezifischen Lebensraum­ansprüche gebunden und nicht in der Lage, diese kurzfristig zu ändern. Allerdings ist sie als Pionierart so flexibel, dass sie andere offene Lebensräume mit geringem Konkurrenzdruck spontan nutzen kann. Ihre speziellen Lebensraumansprüche werden jedoch nicht von Ackerflächen, Wäldern oder menschlichen Siedlungen erfüllt. Hingegen bilden Abbaustellen in der heutigen Kulturlandschaft elementare Sekundärhabitate (Ersatzlebensräume) für diese stark bedrohte Art.

In Steinbrüchen ersetzt häufig der aktive Betrieb in Form von Gesteinsabbau und Fahrzeugverkehr die natürliche Dynamik des ursprünglichen Lebensraums der Gelbbauchunke, sodass sie hier ihr charakteristisches Lebensraumensemble vorfindet: Laich­habitate mit jungen offenen Kleingewässern, einen Landlebensraum, in dem die Tiere sich unter lockerem Gestein, in kleinen Höhlungen oder Steinhaufen verkriechen können, sowie frostfreie Winterquartiere. In Rheinland-Pfalz z. B. leben fast 90 % der Gelbbauchunkenpopulationen in Steinbrüchen oder anderen Abgrabungen (VEITH, 1996).

Die Lebensraumstrukturen im Steinbruch Imhausen

Der Steinbruch Imhausen bietet diese für die Gelbbauchunke notwendigen Lebensraumstrukturen. Verschiedene Kleingewässer können als Laich­habitate genutzt werden. Da die Vermehrung sich, als Anpassung an die Pionierlebensräume, über die gesamte wärmere Jahreszeit erstrecken kann und nicht auf das Frühjahr beschränkt ist, finden sich nahezu während der gesamten Vegetationsperiode adulte Tiere im Gewässer. Allerdings handelt es sich nicht ständig um dieselben Tiere, sodass anhand der im Gewässer befindlichen Tiere nicht direkt auf die Gesamtpopulation geschlossen werden kann.

Diese ist i. d. R. größer als die Anzahl der sichtbaren Tiere. Das Raumverhalten der oft kleinen lokalen Bestände kann variieren. Auf der Tagebausohle des Steinbruchs Imhausen bilden austretendes Schichtwasser und Niederschlagswasser flache durchsonnte Gewässer. Diese grenzen an die Zufahrt zur Tiefsohle, deren Böschung locker geschichtete Steinhaufen aufweist. Auch die verschiedenen Absetzbecken des Betriebes sind als Laichgewässer geeignet. Die Gruppe der kleinen, von Regenwasser gespeisten, jungen Tümpel neben der Steinbruchzufahrt wurde extra für die Amphibien angelegt und stellt – zumindest solange diese noch nicht von Gehölzen überschattet werden – gute Gewässerlebensräume für die Art dar.

Auch als Tagesverstecke nutzbare Bereiche finden sich im Steinbruch. Wichtig ist hier, dass die Tiere Hohlräume finden, in die sie schlüpfen können. Mit zunehmender Sonneneinstrahlung und Trockenheit im Sommer müssen diese Unterstände auch eine hohe Luftfeuchtigkeit aufweisen. Dies ist jedoch auch bei lockeren Gesteinshaufen in der Regel gegeben.

Da Kontakt zur Grundfeuchte des Ausgangsgesteins besteht, bieten erst recht aufgelockerte Böschungsbereiche oder Ähnliches diese Voraussetzungen. Neben diesem komplexen Sommerlebensraum der Gelbbauchunke bietet der Steinbruch auch Winterquartiere für die Art. Die Gelbbauchunke benötigt als kleiner Froschlurch mit bis zu 5 cm Körperlänge nur schmale Zugänge zur „Unterwelt“. Sie müssen jedoch bis in rd. einen Meter Tiefe hinabreichen, um Frostfreiheit zu gewährleisten.Im Steinbruch fehlen die natürlichen Gänge von Kleinsäugern oder verrotteten Wurzeln weitgehend, allerdings bieten sich natürliche Klüfte oder durch Sprengungen verursachte Gesteinslockerungen sowie Halden als Ausweichquartiere an, die diese Anforderungen ebenfalls erfüllen.

Viele Lebensraumstrukturen für die Gelbbauchunke entstehen beim normalen Gesteinsabbau automatisch. Um den Unkenbestand zu erhalten und zu entwickeln, wird aber im Betrieb Imhausen besondere Rücksicht auf die Amphibien genommen und durch ein Strukturmanagement sichergestellt, dass die für die Gelbbauchunken notwendigen Lebensraumstrukturen permanent zur Verfügung stehen. Es werden z. B. bestimmte Gewässer dauerhaft erhalten, andere bleiben mindestens zwei Jahre bestehen und werden erst in den Abbau einbezogen, wenn an anderer Stelle Ersatz geschaffen wurde. Die Gewässer an der Zufahrt werden bei Bedarf freigeschnitten und entkrautet bzw. neu erstellt. Kleinstgewässer werden bei Trockenheit zusätzlich bewässert.

Zum Schutz der überwinternden Unken werden bestimmte Halden bzw. Haufwerke nur in den Sommermonaten bewegt. Außerdem wurden dauerhaft zu erhaltende Halden als Winterquartier für die Gelbbauchunken aufgeschüttet.

Verordneter Naturschutz?

Die Bedeutung von aktiven Steinbrüchen für den Erhalt geschützter Tierarten hat mitunter eine für den Unternehmer zunächst erschreckende Konsequenz: Die Betriebe können unter Naturschutz gestellt werden. Dies ist in Imhausen passiert. Der Verantwortung Deutschlands für den Erhalt der Gelbbauchunke folgend, wurde das FFH-Gebiet „Steinbruch Imhausen“ (DE-5211-304) nach Brüssel gemeldet und anschließend als Naturschutzgebiet gesichert.

Aus der daraus resultierenden Schutzverpflichtung für die Gelbbauchunke ergab sich für die Basalt AG kein unlösbares Problem, da die Amphibien auch im bisherigen Betriebsablauf seit Jahren berücksichtigt wurden. Es war aber zu befürchten, dass formale Konflikte mit der Naturschutzgebietsverordnung zu Schwierigkeiten und erhöhtem Aufwand beim Betrieb von Steinbruch und Aufbereitungsanlagen führen könnten.

Vertraglicher Naturschutz!

Die Basalt AG hat daher der Bezirksregierung Köln und dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW frühzeitig vorgeschlagen, den dauerhaften Schutz des FFH-Gebiets durch eine vertragliche Vereinbarung sicherzustellen, um so durch eine größere Flexibilität bei der Umsetzung des Artenschutzes eine bessere Vereinbarkeit mit der Führung eines Wirtschaftsbetriebes zu erreichen, ohne Umfang und Durchsetzungskraft der Schutzmaßnahmen zu schmälern.

Vertragsnaturschutz in einem aktiven Steinbruch – damit wurde Neuland betreten. Am 12.04.2005 konnte der Vertrag gem. § 48 c (3) LG NRW zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Basalt AG unterschrieben und so ein deutliches Zeichen für die Zukunft gesetzt werden: Gesteinsabbau und Naturschutz können auf der gleichen Fläche verträglich neben- und miteinander realisiert werden.

Die Autoren

Burkhard Kern
Dipl.-Biologe

geboren 1958 in Aachen, nach einigen Jahren Tätigkeit als Kraftfahrzeugmechaniker Studium der Biologie an der RWTH Aachen, seit 1992 Mitinhaber von pro terra, Büro für Vegetationskunde, Tier- & Landschaftsökologie, tätig z. B. im Bereich floristische und faunistische Grundlagenerfassungen, div. Genehmigungsverfahren, FFH-VU und Artenschutz sowie Lehre

Ralph Voigt 
Dipl.-Landschaftsökologe

geboren 1973 in Menden (Sauerland), 1993–2001 Studium der Landschaftsökologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, 1997–2001 Tätigkeit als studentische und wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Landschaftsökologie, seit 2001 bei der Basalt AG, BWH zuständig für Umwelt, Genehmigungen und Lagerstätten

Literatur

NÖLLERT, A. & GÜNTHER, R. (1996): Gelbbauchunke – Bombina variegata, in: GÜNTHER, R. (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands, Gustav Fischer Jena, 232–252.

SCHLÜPMANN, M. & GEIGER, A. (1998): Arbeitsatlas zur Herpetofauna von Nordrhein-Westfalen, Hrsg.: AK Amphibien und Reptilien NW, Münster: 20.SCHMIDT, P., WEDDELING, K., HACHTEL, M. & CHMELA, C. (2005): Bestandserhaltende Maßnahmen für die Gelbbauchunke in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis 2003/2004; Rundbrief zur Herpetofauna von NRW 26 (März 2005): 21–24.

STEINICKE, H., HENLE, K. & GRUTTKE, H. (2002): Einschätzung der Verantwortlichkeit Deutschlands für die Erhaltung von Tierarten am Beispiel der Amphibien und Reptilien; Natur und Landschaft 77 (2): 72–80.

VEITH, M. (1996): Gelbbauchunke – Bombina variegata, in Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilen in Rheinland-Pfalz, Beiheft 18/19, Nassau, 151–164.

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