Basaltsteinbruch Wilsenroth

Ein Konzertsaal der besonderen Art

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  • Steilwand mit variantenreicher Säulenbildung (Foto: H. Friedrich)
  • Der Steinbruch Wilsenroth aus der Luft (August 2011), (Foto: BAG)

Die Dornburg

Die Dornburg bei Wilsenroth (Kreis Limburg-Weilburg, Hessen) ist eine der zahlreichen Basaltkuppen, die die Landschaft im Oberwesterwald prägen. Entstanden ist das kleine Hochplateau im Tertiär vor etwa 25 Millionen Jahren, als Magma in die weitaus älteren devonischen Gesteinsserien eingedrungen ist und sie teilweise überdeckte. Die Steilwände im Steinbruch zeigen vielfältige Bilder von verschiedenen Basaltformationen mit Ascheresten. Bei ihrem Anblick kann man sich vorstellen, wie die Erde hier einmal gekocht haben muss. Eine geologische Besonderheit der Dornburg ist auch das „Ewige Eis“, eine tiefgründige Blockhalde aus Basalt, die die Winterkälte speichert und auch im Sommer einen Eispanzer enthält. Die menschliche Aktivität in diesem Bereich kann ebenfalls auf eine lange Geschichtezurückblicken: Auf der Dornburg finden sich die archäologischen Überreste einer Keltensiedlung aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. 

Basaltabbau

Die Geschichte des Basaltabbaus in der Umgebung von Wilsenroth beginnt Ende des 19. Jahrhunderts. 1886 wurde im jetzigen Ortsteil Wilsenroth in der Nähe eines großen Basaltvorkommens eine Bahnstation errichtet. So wurden ab 1887 verschiedene kleinere Steinbrüche am Westhang der Dornburg unterhalb der Keltensiedlung erschlossen, die im Laufe der Zeit zu dem riesigen Bruch zusammengewachsen sind, der heute zu sehen ist. 1928 wurde ein Anschlussgleis zum Bahnhof verlegt und so mancher Waggon mit Schotter, Splitt und Pflastersteinen verladen. Auch tonnenschwere Basaltsäulen wurden versandt. 1989 hat die Basalt AG den Abbau im Wesentlichen eingestellt. In den folgenden Jahren wurde nur noch ein Restabbau mit mobilen Geräten betrieben. Das große Schotterwerk wurde abgerissen und der Betrieb rekultiviert. Zurzeit ist die Rekultivierung noch nicht ganz abgeschlossen: ein ökologisch nicht so wertvoller Teil wird zur Wiederherstellung des Landschaftsbildes mit Erdaushub verfüllt und anschließend aufgeforstet.

Gebietsschutz

Teile der Dornburg stehen schon seit 1927 unter Naturschutz. Damals erfolgte die Ausweisung vor allem als Abgrenzung gegen den Steinbruch und in den folgenden Jahrzehnten kam es zu dem einen oder anderen Konflikt zwischen dem bewahrenden Naturschutz und dem vorrückenden Gesteinsabbau. Spätestens mit Beendigung des Abbaus kam aber das ökologische Potenzial der Abbaustelle zum Tragen und es haben sich seitdem viele seltene Tiere und Pflanzen angesiedelt. Im Jahr 2004 wurde der Betrieb Wilsenroth zusammen mit anderen Steinbrüchen der näheren Umgebung schließlich als FFH-Gebiet „Abbaugebiete Dornburg-Thalheim“ gemeldet. Bemerkenswert ist vor allem die Vielfalt der im Steinbruch Wilsenroth vorkommenden Amphibien mit Arten der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie. 

Froschkonzert

Wenn die nördlich exponierten Felswände im zeitigen Frühjahr noch gefroren sind, läuten in den sonnenbeschienenen Hängen am späten Nachmittag die Männchen der Geburtshelferkröte mit ihren glockenähnlichen Lauten. Sie können dann schon die Laichschnüre der Weibchen übernehmen, auch wenn ihre Laichgewässer noch zugefroren sind – ein Vorteil, den von den heimischen Froschlurchen nur die Brutpflege betreibende Geburtshelferkröte hat. Mit der Zeit wachsen dann aus den bei gegebener Zeit zu Wasser gebrachten Kaulquappen mächtige Exemplare heran – die Larven sind oft größer als die erwachsene Kröte.

Später im Jahr, wenn der Frost aus dem Bruch gewichen ist, dominieren abends die Kreuzkröten. Wegen der großen Anzahl ist ihr Trillern voluminös und klingt durch die Akustik der Felswände wie ein großes Konzert. Es ist so laut, dass eine Unterhaltung nicht möglich ist. Kommt man zu nahe, ist durch die leichte Erschütterung des Bodens das Konzert plötzlich zu Ende. Bewegt man sich nicht oder zieht sich zurück, setzen die Interpreten nacheinander wieder ein und übertönen alle anderen Anwesenden.

Die Wechselkröte singt längere Strophen. Will sie von ihren Artgenossinnen gehört werden, zieht sie sich an den Rand des „Konzertsaals“ zurück. Ohne diese Strategie würde sie nicht wahrgenommen werden, denn ihre Anzahl in Wilsenroth ist wesentlich geringer als die der Kreuzkröte. Das Vorkommen ist aber dennoch von großer Bedeutung: In einem Artgutachten des Landes Hessen zur Wechselkröte werden die „optimalen Bedingungen“ im Steinbruch Wilsenroth hervorgehoben. Auch die Gelbbauchunke muss sich etwas einfallen lassen, um Gehör zu finden. Sie unkt vor dem großen Konzert in den flachen Gewässern und hält dann halt ihr Maul. Neben diesen seltenen Arten steuern natürlich auch Erdkröte und Grasfrosch ihren Teil zum Froschkonzert bei. Den Kammmolch stören dabei die vielen Rufe und Laute überhaupt nicht: Er lockt seine Auserwählte mit besonderen Duftstoffen und bringt sie so zur Eiablage. Im Steinbruch kommen außerdem auch Berg- und Teichmolch vor.

Lebensräume: Anspruch und Vielfalt

Arten wie die Erdkröte, der Grasfrosch oder auch der Berg- und Teichmolch haben keine besonderen Ansprüche an ihr Habitat. Sie sind flexibel und können sich zu Lande oder zu Wasser an viele verschiedene Lebensraumbedingungen anpassen.

Andere Arten sind nicht so konkurrenzstark und leben daher von Natur aus in engen ökologischen Nischen. Gelbbauchunke, Kreuzkröte und auch Wechselkröte sind zum Beispiel ursprünglich Pionierarten der Auen und der Geschiebeflächen an Flussläufen. Dort entstehen in Abhängigkeit von der Dynamik der Fließgewässer immer wieder neue Kleingewässer, die sofort besiedelt werden und in denen weder Konkurrenz durch andere Arten noch Fressfeinde in größerer Zahl auftreten. In der heutigen aufgeräumten Landschaft finden sich solche Standorte vor allem in Abgrabungen oder auch auf Truppenübungsplätzen, die zu überlebenswichtigen Sekundärlebensräumen geworden sind, weil dort die menschliche Aktivität die natürliche Dynamik ersetzt. Gemeinsam ist den drei Arten, dass sie auf Klein- und Kleinstgewässer in frühen Sukzessionsstadien angewiesen sind. Im Einzelnen unterscheiden sich aber ihre Präferenzen, sodass Strukturvielfalt eine wichtige Voraussetzung für ihr gleichzeitiges Vorkommen an einem Standort ist. Für die Geburtshelferkröte ist die Existenz von besonnten Böschungen, Steinschüttungen und Ähnlichem im Gewässerumfeld besonders wichtig, da vor allem während der Brutpflege Verstecke mit ausgeglichenen Feuchtigkeitsverhältnissen benötigt werden: Ist es zu feucht, wird der Laich von Pilzen befallen, ist es nicht feucht genug, trocknet er aus. Der Kammmolch besiedelt Gewässer meist erst in späteren Sukzessionsstadien.

Im Steinbruch Wilsenroth sind große Teile der ehemaligen Abbausohle mit einer Vielzahl flacher Kleingewässer bedeckt; auch im Bereich der Erddeponie finden sich geeignete Gewässer. Die Laichtümpel liegen sowohl in sonnigen als auch in schattigen Bereichen. Sie sind teilweise vegetationsfrei, teilweise haben sich im Lauf der Jahre Pflanzen angesiedelt. Manche Gewässer sind extrem flach, andere tiefer. Einige Gewässer haben einen felsigen Untergrund, andere sind eher schlammig. Teilweise trocknen die Gewässer im Verlauf des Sommers aus, teilweise führen sie permanent Wasser. In der unmittelbaren Umgebung der Gewässer wechseln sich Rohböden, Steinhaufen und Blockschutthalden ab. Es gibt vegetationsfreie sowie schütter und stärker bewachsene Bereiche. Außerhalb des Steinbruchkessels finden sich angrenzend Wald und Grünland. Eben diese Standortvielfalt ermöglicht das bemerkenswerte gleichzeitige Vorkommen der seltenen Amphibienarten Gelbbauchunke (Bombina variegata), Kreuzkröte (Bufo calamita), Wechselkröte (Bufo viridis), Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) und Kammmolch (Triturus cristatus).

Was gibt es sonst noch?

Von der Standortvielfalt im Steinbruch Wilsenroth profitieren nicht nur die Amphibien. Es gibt weitere tierische Bewohner; manche von ihnen werden im Zusammenhang mit Steinbrüchen immer wieder genannt, über andere wird seltener gesprochen. Hier eine kleine Zusammenstellung, ohne das Ziel der Vollständigkeit:

Fledermäuse jagen vor den warmen Felswänden und über den Wasserflächen nach Insekten. Auch Feldhasen (Lepus europaeus) fühlen sich im Gelände wohl. An exponierten Stellen sitzt ab Dezember bis zur Brutzeit das Uhumännchen (Bubo bubo) und ruft stolz als Revierbesitzer sein weithin hörbares „Uhu“. Mehlschwalben (Delichon urbicum) suchen gerne die sonnenbeschienenen Felspartien zum Aufwärmen auf. Auch Reptilien finden sich im Steinbruch.

An den feuchteren Stellen kommt die Ringelnatter (Natrix natrix) vor und in den trockenen Bereichen leben Zauneidechsen (Lacerta agilis) und Blindschleichen (Anguis fragilis). An geschützten Stellen klebt die Feldwespe ihre Waben an Basaltsteine. Viele Hummelarten besuchen die vorhandenen Blütenpflanzen; besonders den Natternkopf (Echium vulgare) im Hochsommer. Auch Flechten wachsen auf den Basaltsteinen. Man muss ihren Artnamen nicht kennen, um den schönen Anblick zu genießen.

Pflege und Störungen

Die meisten der den besonderen ökologischen Wert des Steinbruchs bestimmenden Arten sind auf eine gewisse Dynamik in ihren Lebensräumen angewiesen. Das gilt auch und vor allem für die Amphibien und ihre Laichgewässer. 

Zum Erhalt des vielfältigen Lebensraums entfernt die Basalt AG daher regelmäßig durch Abschieben die aufkommende Vegetation, wenn dies erforderlich wird. Im ökologischen Fachvokabular bezeichnet man solche Pflegemaßnahmen auch als „Störungen“, denn sie versetzen die Lebensräume immer wieder gezielt in ein frühes Sukzessionsstadium zurück und stören damit ihre natürliche Entwicklung. Für den Artenschutz sind solche Störungen jedoch unverzichtbar, weil viele spezialisierte und daher heute seltene Arten, wie z. B. Gelbbauchunke, Kreuzkröte und Wechselkröte in reifen, weiter entwickelten Biotopen von anderen, oft weitaus häufigeren Arten verdrängt werden.

Davon unterscheiden muss man eine andere Art von Störung. Motocrossfahrer brummen besonders sonntags mit lautem Getöse durch Flachwasserbereiche und die steilen Hänge rauf und runter. Auch Kletterseile hängen inzwischen an den Steilwänden. Mit diesen rücksichtslosen und ungesteuerten Eingriffen durch den Menschen kommt die Natur nur schwer zurecht. So brütete das vorhandene Uhupaar schon mehrmals erfolglos. Der durch den Basaltabbau entstandene vielfältige Lebensraum wird so leider stark beeinträchtigt.

Der Autor

Herbert Friedrich

Geboren 1947, Oberamtsrat im Bereich der Sozialversicherung. Seit 1962 Beauftragter der Staatlichen Vogelschutzwarte, seit 1974 in verschiedenen Ämtern im NABU (Naturschutzbund Deutschland) tätig, Betreuer und Beauftragter für die Steinbrüche in Mittelhessen.

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