Heuschrecken in Steinbrüchen

Musikanten des Spätsommers

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Steinbrüche verbindet man auf den ersten Blick mit Kargheit, Lärm, Staub, Brecheranlagen, LKW-Betrieb oder Sprengungen. Und dazwischen Musikanten? Wie geht das denn?

Steinbrüche im Abbau und danach sind Lebensräume mit zahlreichen ökologischen Nischen, je nach Lage, Größe und Nutzungsintensität natürlich unterschiedlich. Da gibt es feuchte und trockene Rohbodenflächen, schütter bewachsene Bereiche, Hochstaudenfluren, xerotherme Böschungen, Gebüsche mit einheimischen Straucharten, Vorwaldgesellschaften oder auch ältere Waldbereiche. Doch, es ist wahr, man kann auch Natur hören, während des Betriebes, abends, am Wochenende oder nach Nutzungsaufgabe im Steinbruch. Da singt der Hausrotschwanz, das Schwarzkehlchen, die Mönchsgrasmücke und im Sommer: das Zirpen der Heuschrecken. Man kann sie hören, hörbar machen oder auch wegspringen sehen.

Grund genug, sich mit der eher unbekannten Insektengruppe in Steinbrüchen zu befassen.

Heuschrecken – Vorkommen in Deutschland

Die ca. 80 in Deutschland vorkommenden Heuschreckenarten sind ein Teil der in Europa vorkommenden ca. 100.000 Insektenarten. Rheinland-Pfalz hat z. B. aktuell gut 60 Arten aufzuweisen. Überschlägig ist davon auszugehen, dass in den Steinbrüchen Deutschlands gut 40 Heuschreckenarten nachgewiesen sind. Dazu kommen einige seltene Arten, die nur punktuell und dann oft nur in randlichen Biotopen entdeckt wurden. Das Dorado für Heuschrecken liegt im wärmeren und trockeneren Mittelmeerraum. Die Tendenz in der Zeit des Klimawandels zeigt jedoch eine deutliche Nordausbreitung. Bei den ca. 250 europäischen Gradflügler-Arten sind die Heuschrecken, Schaben, Ohrwürmer und Fangschrecken eingeschlossen.

Feine Instrumente

Nachfolgende Betrachtung setzt die eigentlichen Heuschrecken in den Fokus. Ohne große entomologische Kenntnisse lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: Bei den Langfühlerschrecken sind die Fühler so lang wie der Körper oder länger als dieser. Man kann sie unterteilen in Laubheuschrecken und Grillen. Kurzfühlerschrecken haben Fühler, die kürzer als der Körper sind. Zu ihnen gehören die Dornschrecken und die Feldheuschrecken.

Allen Arten ist gemeinsam, und das zeichnet unsere Insekten generell aus, dass der Körper in drei Teile gegliedert ist. Der gut erkennbare Kopf besitzt Augen, Facettenaugen und ggf. Punktaugen, dazu Fühler und Mundwerkzeuge, die bei den Heuschrecken ein Festhalten und Abbeißen der Nahrung ermöglichen. Es schließt sich der Brustbereich, auch Thorax genannt, an. Hier findet sich das zur Artbestimmung oft wichtige Halsschild. Außerdem sind drei Paare Laufbeine vorhanden mit kräftiger Sprungmuskulatur, dazu zwei Flügelpaare, manchmal mit bunten Hinterflügeln oder auch flügellose und dann zumeist weibliche Tiere. Im Hinterleib, auch Abdomen genannt, sitzen die Verdauungsorgane und die Geschlechtsorgane, daneben beim Weibchen unauffällige Legeklappen. Die Weibchen von Langfühlerschrecken besitzen eine auffällige stachelartige Legeröhre.

ALLEN ARTEN IST GEMEINSAM, UND DAS ZEICHNET UNSERE INSEKTEN GENERELL AUS, DASS DER KÖRPER IN DREI TEILE GEGLIEDERT IST.

Lautäußerungen sind bei Insekten selten, bei Heuschrecken allerdings typisch. Sie veranstalten dann auch das Sommer- und Spätsommerkonzert. Die Langfühlerschrecken heben die Vorderflügel an und reiben sie aneinander. Schrillleiste und Schrillkante erzeugen das Geräusch. Kurzfühlerschrecken streichen die Hinterschenkel mit kleinen Fortsätzen über dielügel, ähnlich dem Ziehen eines Kammes über einen Fingernagel. Daneben gibt es noch individuelle Lautäußerungen, wie etwa das Beinschienenschleudern bei der Sumpfschrecke, das ein Klicken erzeugt oder das kaum hörbare Trommeln der Eichenschrecken mit den Hinterbeinen auf Blätter.

Viele Rufe sind hochfrequent und manchmal ohne Hilfsmittel nicht zu hören. Hier hilft ein Ultraschalldetektor, mit dem die Rufe in hörbare Frequenzen umgewandelt werden können. Er wird eigentlich zur Ortung von Ultraschalllauten der Fledermäuse eingesetzt.

Vorkommen in Steinbrüchen

Was ist nun in den Steinbrüchen an Heuschrecken zu finden? Die Erfassung erfolgt durch Beobachtung der Tiere, durch Fang mit einem Kescher oder durch Verhören, ggf. mit einem Ultraschalldetektor. Die danach entstehende Artenliste wird ganz unterschiedlich sein, abhängig von der Lage des Steinbruches in der geografischen Region, der Höhenlage und der Habitatausstattung. Es ist nicht das Ziel dieser Darstellung, die komplette Artenliste aller Heuschrecken in Steinbrüchen abzuarbeiten, aber einzelne charakteristische und gut erkennbare Arten sollen hier hervorgehoben werden.

Blauflügelige Ödlandschrecke

Oedipoda caerulescens

Sind sonnige und mit feinem Substrat ausgestattete Rohbodenflächen vorhanden, wird sich die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) schnell einstellen. Sie hat von den trockenen und warmen bis heißen Jahren profitiert und gehört zu den Gewinnern des Klimawandels. Die zumeist grau und seltener braun gefärbten Tiere halten sich am Boden auf. Sie sind leicht zu übersehen und fliegen bei Annäherung schnell weg, wobei dann die blau gefärbten Hinterflügel aufleuchten. Die Eiablage erfolgt in feines Bodensubstrat.

Gefleckte Keulenschrecke

Myrmeleotettix maculatus

Sehr unauffällig und mit einer Länge von maximal 16 mm einer der kleinsten Heuschrecken ist die Gefleckte Keulenschrecke (Myrmeleotettix maculatus). Die Männchen sind an den leicht verdickten und nach außen gebogenen Fühlerspitzen zu erkennen. Die braun-graue Heuschrecke benötigt sehr warme und trockene Lebensräume samt vegetationsfreien Bereichen, wie sie in Steinbruchrändern öfters entstehen. Der Gesang ist leise und nur schwer zu hören.

Brauner Grashüpfer

Chorthippus brunneus

Der Braune Grashüpfer (Chorthippus brunneus) gehört auch zu den kleineren Kurzfühlerschrecken, wobei das größere Weibchen durchaus 25 mm lang werden kann. Die braun-graue Färbung ist bei Männchen durch einen zumeist rötlichen Hinterleib aufgehellt. Der Braune Grashüpfer ist eine Charakterart der Abbauflächen, kommt aber auch auf schütter bewachsenen Böschungen oder Waldkahlschlägen vor. Der Gesang, der aus harten Einzellauten besteht, ist auffällig und verrät schnell das Vorkommen der Art. Wechselgesänge zweier Männchen sind markant.

Waldgrille

Nemobius sylvestris

Gibt es am Steinbruchrand in sonniger Lage am Boden Falllaubbereiche, kann man mit der Waldgrille (Nemobius sylvestris) rechnen. Die dunkelbraune flügellose Art erreicht eine Körperlänge von 11 mm. Sie ist schwer zu entdecken, versteckt sich bei Annäherung schnell im Falllaub, fällt aber an warmen Tagen, oft bis in den Spätherbst, durch den wohlklingenden leisen rollenden Gesang auf, der entfernt an ein Taubengurren erinnert.

Nachtigall-Grashüpfer

Chorthippus biguttulus

Charakterart der mit Krautpflanzen bewachsenen Steinbruchbereiche ist der Nachtigall-Grashüpfer (Chorthippus biguttulus). Ein gewisser Wärmebedarf muss man der Art attestieren, daher werden sonnige Ruderalfluren in Steinbrüchen gerne besiedelt. Die Weibchen werden bis zu 15 mm lang und die Tiere sind braun-grün gefärbt und an ihrem charakteristischen Gesang gut zu erkennen. Dieser hat einen metallisch-schwirrenden, schmetternden Verlauf. Die sich spät entwickelnde Art kann bis November festgestellt werden.

Große Goldschrecke

Chrysochraon dispar

Ebenfalls zu den Kurzfühlerschrecken gehört die Große Goldschrecke (Chrysochraon dispar). Die Art hat sich im letzten Jahrzehnt stark ausgebreitet und besiedelt nunmehr auch die höheren Mittelgebirgslagen. In Steinbrüchen erscheint sie, wenn dichtere vertikale Vegetation, gerne an feuchteren Standorten, vorhanden ist. Die kleinen Männchen zeichnen sich durch ihren grünlich-braunen Goldglanz aus, während die knapp 30 mm lang werdenden Weibchen an den in der Regel verkürzten Flügeln, der bräunlichen Farbe und den roten Unterseiten der Hinterschenkel gut zu erkennen sind. Die gereihten Einzeltöne des kurzen Gesanges erinnern an ein Klappern. In „guten“ Jahren entwickeln sich geflügelte Weibchen, die dann andere Gebiete durch Wegfliegen besiedeln können.

Gewöhnliche Strauchschrecke

Pholidoptera griseoaptera

Eine verbreitete Langfühlerschrecke, die auch gerne in Steinbrüchen vorkommt, ist die Gewöhnliche Strauchschrecke (Pholidoptera griseoaptera). Sie ist eine Art der gebüschreichen Randbereiche des Steinbruches, gerne auch der nur teilweise besonnten Bereiche. Adlerfarn, Brombeeren, Himbeeren sowie weitere Sträucher alle Art – unbedingt mit Laub als Bodensubstrat – werden benötigt. Nur in feuchtem Mikroklima können sich die Eier dieser Art entwickeln. Diese werden in Pflanzenstängel oder Rinde abgelegt. Die relativ kälteunempfindliche Art ruft mit ihren kratzenden „zrit“-Lauten bis weit in den Oktober.

Roesels Beißschrecke

 Roeseliana roeselii

Eine ebenfalls gut zu erkennende Langfühlerschrecke ist die Roesels Beißschrecke (Roeseliana roeselii). Die braun-grüne Heuschrecke ist an dem komplett gelb gesäumten Halsschild zu erkennen. Sie ist auf dichte und hochwüchsige Krautvegetation angewiesen. Der schwirrende Gesang ist leise, aber gut mit einem Ultraschalldetektor zu vernehmen. Kommen viele Tiere in einem Gebiet vor, ist der Gesang oft sehr dominant und überdeckt leiser rufende Arten. Neben kurzflügeligen Exemplaren kommen auch langflügelige vor.

Gemeine Sichelschrecke

Phaneroptera falcata

Ein Gewinner des Klimawandels ist die wärmeliebende Gemeine Sichelschrecke (Phaneroptera falcata), mit grüner Grundfärbung, auffällig langen Hinterflügeln und guter Flugeigenschaft. Sie hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten weit nach Norddeutschland und in die Höhenlagen der Mittelgebirge ausgebreitet. Brachen werden auch gerne in Steinbrüchen besiedelt, wo die Art ohnehin ein warmes Mikroklima vorfindet. Die Eier werden von der Art in Blättern abgelegt. Der hochfrequente Gesang besteht aus aneinander gereihten „zipp-Lauten“.

Ein Fazit ist sicherlich, dass Heuschrecken bei entsprechender Habitatausstattung durchaus in Steinbrüchen eine Rolle spielen und mit etlichen Arten vorkommen können. Es wird deutlich, dass die sonnenbeschienenen Rohbodenflächen die selteneren Arten aufweisen. Daneben werden auch Krautfluren, Hochstaudenbereiche und Gebüsche bis hin zu Baumstrukturen besiedelt. Dies mögen Hinweise in Hinblick auf biotop- und damit auch arterhaltende Maßnahmen sein, wobei der Fokus auf Amphibien, Reptilien, Vögel durchaus auch um die Heuschrecken erweitert werden kann.

Quellen

  • BRAUN, M., BRAUN, U.
  • C. FROEHLICH
  • FISCHER, J.; D. STEINLECHNER
  • PFEIFER, M. A. ,
  • NIEHUIS, M. und C.
  • RENKER 
  • Ursula Braun 
  • Anne Neidhöfer

Die Autorin

Ursula Braun
geb. 1952, Pädagogin &
Naturschützerin

Studierte von 1971 – 1974 Pädagogik (Biologie, Chemie) an der Erziehungswissenschaftlichen Hochschule in Koblenz.

Von 1975 – 1994 Lehrerin an der Grund- und Hauptschule in Holzappel.

Von 1994 – 2015 Referentin das Naturparks Nassau.

Im Ruhestand weiterhin im Naturschutz, der Faunistik und der Naturschutzpädagogik engagiert.

Der Autor

Manfred Braun
geb. 1952, Pädagoge & Naturschützer

Studierte von 1970 – 1973 Pädagogik (Biologie, Geografie) an der Erziehungswissenschaftlichen Hochschule in Koblenz.

Von 1974 – 1992 Lehrer an der Grundund Hauptschule in Holzappel, danach Mitarbeiter des Regierungspräsidenten Danco in Koblenz

und von 2000 – 2015 Naturschutzreferent bei der Oberen Naturschutzbehörde/SGD Nord in Koblenz.

Von 1980 – 1993 Vorsitzender der GNOR.

Im Ruhestand weiterhin im Naturschutz, der Faunistik und der Naturschutzpädagogik engagiert.

Die Autorin

Anne Neidhöfer
geb. 2002, Naturfotografin und Ornithologin

Machte 2021 am Johannes- Gymnasium in Lahnstein das Abitur.

Seit dem Oktober 2021 Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) als Rettungssanitäterin bei der Rettungswache in Nassau.

Ab Oktober 2022 Medizinstudium an der Universität Heidelberg.

Begeisterte Naturfotografin und Ornithologin.