Kooperationsprojekt BAG/GNOR e.V.

"Abbaubetriebe und Amphibienschutz"

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  • Juvenile Wechselkröte (Foto: Sylvia Idelberger)
  • Anlage eines Kreuzkröten-Laichgewässers in Jettenbach durch geringfügige Verlagerung eines Materiallagerplatzes und Verbesserung der Wasserzufuhr und -rückhaltung (Foto: Sylvia Idelberger)
  • Gelbbauchunken- und Geburtshelferkröten-Laichgewässer bei Theisbergstegen (Foto: Sylvia Idelberger)

Kooperation zwischen BAG und GNOR e.V.

Der erste nähere Kontakt zwischen der Basalt-Actien- Gesellschaft-Südwestdeutsche Hartsteinwerke (BAG)  und der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz (GNOR e. V.) entstand im Jahr 2008. Im Rahmen einer Amphibienkartierung im südlichen Rheinland-Pfalz wollte die GNOR verschiedene Steinbrüche der BAG untersuchen.

Es war damals schon bekannt, dass sich ein bedeutender Teil der Pionieramphibienvorkommen inzwischen in den Sekundärhabitaten der Kies, Sand, Ton oder Hartstein abbauenden Betriebe befindet. Die großräumigen BAG-Steinbrüche mit ihren kargen, fast vegetationsfreien Landschaften und einem Angebot an unterschiedlichen (Klein-)Gewässern schienen somit geeignete Ersatzlebensräume für diese Amphibien zu bieten. Zu den Pionierarten gehören Kreuzkröte (Bufo calamita), Wechselkröte (Bufo viridis), Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) und Gelbbauchunke (Bombina variegata). Diese Arten haben sich an die Unstetigkeit ihrer Biotope angepasst. Sie finden in den dynamischen Prozessen der Abbaugebiete bereits während des aktiven Abbaus Lebensräume, die ihnen in der heutigen Kulturlandschaft kaum mehr zur Verfügung stehen, denn die natürlichen Lebensräume der Pionieramphibienarten – Überflutungsbereiche von Fluss- und Bachauen – sind so gut wie nicht mehr vorhanden. Nach ersten vorsichtigen Gesprächen kam es schnell zu einer Vereinbarung, die der GNOR eine Erfassung der Amphibienvorkommen in den Steinbrüchen ermöglichte. Dabei gingen beide Seiten davon aus, dass sich Rohstoffabbau und Naturschutz zum Vorteil beider vereinbaren lassen und dass sowohl der vorhandene Bedarf an Rohstoffen als auch die Bedeutung von Biotopen aus zweiter Hand für den Artenschutz anzuerkennen sind. Die Kartierungsergebnisse sollten ausdrücklich nicht zu Einschränkungen des laufenden Betriebs führen, sondern es ermöglichen, Naturschutzbelange auf freiwilliger Basis in den Betriebsablauf zu integrieren.

Auf Grundlage der getroffenen Vereinbarung wurden nach einer ersten Geländebegehung mit den Betriebsleitern mehrere Betriebsstandorte auf Vorkommen der vier Pionieramphibienarten überprüft. Dabei konnten in den Abbaubetrieben in unterschiedlicher Verteilung und Anzahl – auch abhängig von der räumlichen Lage der Betriebe – Geburtshelferkröten, Gelbbauchunken, Kreuzkröten und Wechselkröten nachgewiesen werden. Manche Betriebsflächen boten fast optimale Lebensbedingungen für die Pionieramphibien, während in anderen Betrieben insbesondere das Angebot an Laichgewässern gering war. Geeignete Landhabitate wie offene, besonnte Flächen und Versteckmöglichkeiten unter Steinen und in Geröllhalden waren in jedem Betrieb in ausreichendem Maß vorhanden.

Ermutigt durch den positiven Kontakt und das große Interesse der BAG und bestärkt durch die gewonnene Erkenntnis, dass sich ohne zukünftige großflächig angesetzte Entwicklungsmaßnahmen der Erhaltungszustand der Pionieramphibienarten weiter verschlechtern wird, suchte die GNOR daraufhin das Gespräch mit dem Industrieverband Steine und Erden e. V. Neustadt/Weinstraße (VSE), um auf größerer Basis ein Amphibienschutzprojekt zusammen mit verschiedenen Abbaubetrieben zu starten. Der Industrieverband unterstützte die Idee eines gemeinsamen Kooperationsprojektes sofort. Nach Gesprächen mit den Naturschutzbehörden konnte dann im Frühjahr 2009 ein Kooperationsprojekt „Abbaubetriebe und Amphibienschutz“ mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz aus der Taufe gehoben werden.

Rechtliche Grundlage für das Kooperationsprojekt ist die Vereinbarung zwischen dem rheinland-pfälzischen Umweltministerium und dem VSE, die den zugehörigen Betrieben die Rechtssicherheit bietet, die entstandenen Biotope im Rahmen ihrer Abbautätigkeiten wieder beseitigen und dafür an anderer Stelle neu gestalten zu können. Die Vereinbarung gilt für fünf Jahre. Die am Kooperationsprojekt teilnehmenden Firmen verpflichten sich, diese Amphibienbiotope auf Zeit auf eigene Kosten anzulegen und so einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung unserer heimischen Artenvielfalt zu leisten.

Inzwischen nehmen zehn Firmen, zum Teil mit mehreren Betriebsstandorten, am Projekt teil. Die BAG beteiligte sich von Anfang an mit den Steinbrüchen Brunnenberg, Eisensteiner Kopf/Nonnenfels bei Kirchheimbolanden, Jettenbach und Rammelsbach/Theisbergstegen am Kooperationsprojekt, seit 2010 sind die beiden Betriebe Ellenberg und Neu-Bamberg hinzugekommen. 

Die Amphibien nutzen je nach eigenen Lebensraumansprüchen die unterschiedlichsten Bereiche innerhalb der BAG-Steinbrüche. Als Laich- bzw. Aufenthaltsgewässer dienen zum Beispiel Sohlgewässer, Tümpel, Absetzteiche und durch Bodenverdichtung entstandene temporäre Pfützen. Manche der größeren Gewässer weisen allerdings Fischbesatz auf, sie sind in ihrer Funktion als Amphibienlaichgewässer stark eingeschränkt. Gefährdungen für die Amphibien entstehen in den Abbauflächen hauptsächlich durch die Wiederverfüllung, lokal sehr intensive Abbautätigkeiten, fortschreitende Sukzession der Klein- und Kleinstgewässer oder durch ungenügende Wasserführung der Gewässer.

Durch verbesserte Kenntnisse über Vorkommen und Lebensraumansprüche der Amphibien und die damit verbundene gezielte Berücksichtigung der Bedürfnisse der Pionierarten beim Abbau kann schon mit geringem Aufwand viel für diese Arten erreicht werden. Ziel ist deshalb ein naturschonender Betriebsablauf mit freiwilliger Integration biotopgestaltender Maßnahmen. Dazu werden in den Werken die vorhandenen Amphibienlebensräume durch ein rotierendes System von geeigneten flachen Klein- und Kleinstgewässern entwickelt und optimiert. So ist ein zielgerichteter und kostengünstiger Artenschutz durch eine nachhaltige Nutzung möglich, denn innerhalb der aktiven Abbaugebiete sind die Gestaltung und die Pflege der Lebensräume für die Pionierarten in der Regel ohne aufwendige Maßnahmen und eher auf Dauer zu erreichen.

Die im Rahmen des Kooperationsprojektes freiwillig durchgeführten Maßnahmen in den BAG-Steinbrüchen reichen dabei von einer verbesserten Was­serführung der Laichgewässer über die Freistellung zugewachsener Tümpel, eine Bodenmodulation zur Sammlung von Regenwasser und die Sicherung bestehender Gewässer durch Abgrenzung zu befahrenen Trassen bis hin zur Neuanlage von Laichgewässern. Insbesondere durch die regelmäßige Neuanlage und die Entfernung von Bewuchs wird der erforderliche Pioniercharakter der Laichgewässer gewährleistet. Auch das vermehrte Wissen um die Wertigkeit dieser (Kleinst-)Gewässer bei den Mitarbeitern im Betrieb unterstützt den Schutz vorhandener Laichbiotope und die Entwicklung weiterer Maßnahmen.

Ein besonders gelungenes Beispiel stellt die Stützung der Kreuzkrötenpopulation im Steinbruch Jettenbach dar. Bei den anfänglichen Kartierungen konnte ein kleines Vorkommen am Rande der großen Materiallagerfläche des Betriebs registriert werden. Das sehr flache, von Regenwasser gespeiste Laichgewässer trocknete jedoch regelmäßig frühzeitig aus, sodass kaum Kreuzkrötennachwuchs hochkam. Der Betrieb erklärte sich bereit, den genutzten Bereich etwas zu verkleinern. So entstand eine ausreichend große Fläche, auf der mit den vor Ort vorhandenen Maschinen mehrere Vertiefungen geschaffen wurden und die Wasserzufuhr durch eine Umleitung des auf der Fläche anfallenden Regenwassers optimiert werden konnte. Dies bewirkte, dass in den folgenden Laichperioden zahlreiche Kreuzkrötenlarven in den angelegten Gewässern erfolgreich die Metamorphose abschließen konnten und als kleine Kröten die Gewässer verließen. Da in der Umgebung bereits ausreichend Landlebensräume mit Versteckmöglichkeiten vorhanden sind, führte diese einfache Maßnahme sehr schnell zu einem Anstieg der Kreuzkrötenpopulation.

Äußerst interessant ist auch der Steinbruch Rammelsbach/Theisbergstegen. Das ausgedehnte Betriebsgelände bietet mit seinen lückig bewachsenen und oft besonnten Böschungen und Geröllhängen und dem breiten Spektrum an Gewässern unterschiedlicher Größe nahezu ideale Voraussetzungen für die Geburtshelferkröte. Die dort vorkommende Population ist als eine der größten in Rheinland-Pfalz zu bewerten. Eine Verbesserung des bereits vorhandenen Lebensraums für diese Art erscheint fast nicht mehr möglich. Einziges Problem stellt hier ein illegaler Fischbesatz in einem Sohlgewässer dar, welches früher als Hauptlaichgewässer genutzt wurde. Das recht kleine Vorkommen der Gelbbauchunke am Rand des Abbaus bei Theisbergstegen konnte hingegen durch die Wiederherstellung eines durch den Wegeausbau stark beeinträchtigten Laichgewässers gefördert werden. Hier sind auch in Zukunft weitere Maßnahmen sinnvoll.

Von den erweiterten Laichmöglichkeiten in den BAG-Steinbrüchen profitieren dabei nicht nur die Pionierarten, auch andere Amphibien wie Fadenmolch (Lissotriton helveticus), Teichmolch (Lissotriton vulgaris), Feuersalamander (Salamandra salamandra), Erdkröte (Bufo bufo) und Grasfrosch (Rana temporaria) nutzen die Gewässer zum Aufenthalt oder als Laichmöglichkeit. Ebenso werden die Tümpel und wassergefüllten Senken von zahlreichen Insekten, z. B. Libellen, als aquatischer Lebensraum für ihre Larven angenommen. Im weiteren Sinne nützen diese Maßnahmen natürlich auch den Fressfeinden der genannten Arten.

Ein weiterer wichtiger Baustein des Kooperationsprojektes ist seine Präsentation in Presse, Funk und Fernsehen. Diese dient zum einen der Sensibilisierung der Gesellschaft für die Belange des Artenschutzes, zum anderen erhalten die beteiligten Unternehmen so eine Anerkennung für ihr Engagement. Eine positive Berichterstattung erhöht zudem die Akzeptanz gegenüber den Abbaubetrieben. Bei den gut angenommenen Exkursionsangeboten in die BAG-Betriebe für interessierte Bürger und auch für Fachpublikum werden in erster Linie der Lebensraum für die Pionieramphibien im laufenden Betrieb und die freiwillig durchgeführten Schutzmaßnahmen vorgestellt. Die Teilnehmer lernen so aktive Steinbrüche von einer ganz anderen, meist unbekannten Seite kennen: als besonderen Lebensraum für spezialisierte und teils gefährdete Tier- und Pflanzenarten. 

Gelbbauchunke

Die Gelbbauchunke lebt in Landschaften, in denen Wälder oder verbuschte Flächen mit offenen Flächen, wie Staudenfluren oder Wiesen, wechseln. Ein weiterer bedeutender Lebensraum sind Abbaugebiete, da die Unke als Laichgewässer sonnenexponierte Kleinstgewässer (z. B.wassergefüllte Fahrspuren) in frühen Sukzessionsstadien braucht, in denen es kaum Konkurrenten und Fressfeinde gibt. Bei Gefahr macht die Gelbbauchunke ein Hohlkreuz, streckt die Gliedmaße nach oben und zeigt Fressfeinden ihre intensiv gefärbte Bauchseite, die vor ihrem Hautgift warnen soll.Das Beutespektrum der Gelbbauchunke umfasst alle wirbellosen Tiere, die nicht zu groß, zu hart oder ungenießbar sind und die sich bewegen. Die Beute wird sowohl an Land als auch unter Wasser und an der Wasseroberfläche mit den Kiefern ergriffen.

Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans)

Die Geburtshelferkröte bevorzugt lückig bewachsene Landlebensräume mit zumindest teilbesonnten Hängen und Böschungen. Dabei liegen Landlebensraum und Laichgewässer sehr nah beieinander. Die früher besiedelten natürlichen Lebensräume waren Rutschhänge, Geröllhalden, Bachböschungen und Auengebiete. Da diese Biotope in der freien Landschaft kaum noch zu finden sind, lebt die Art heute zu einem großen Teil in Sekundärlebensräumen wie Steinbrüchen. Die Geburtshelferkröte ist die einzige einheimische Amphibienart mit Brutpflegeverhalten: Das Männchen wickelt bei der Paarung Laichschnüre um die Hinterbeine und trägt sie bis zum Schlüpfen der Larven. Die Ansprüche an das Gewässer beschränken sich mehr oder weniger auf das Vorhandensein einer offenen Wasserfläche. Als sogenannter Scheibenzüngler hat die Geburtshelferkröte keine herausklappbare Zunge und packt daher ihre Beute mit vorschnellendem Körper und geöffnetem Maul. Der Ruf der Geburtshelferkröte ist ein helles, flötenreines „Üh … üh … üh“.  Rufen verschiedene Männchen gleichzeitig, so klingt dies aus der Ferne wie Glockengeläut; daher trägt die Kröte im Volksmund auch den Namen Glockenfrosch.

Wechselkröte (Bufo viridis)

Die Wechselkröte ist als Steppenart an trockene, warme Standorte angepasst und auch gegen Kälte relativ unempfindlich. Als ausgesprochener Kulturfolger besiedelt sie gerne Brachland, Abbauflächen und Ruderalstandorte. Als Laichgewässer dienen besonnte, vegetationsarme Flachtümpel, aber auch mittelgroße Gewässer und neu gestaltete Regenrückhaltebecken. Sie kann auf der Suche nach geeigneten Lebensräumen oder Laichgewässern sehr weite Strecken zurücklegen, unterliegt dabei aber der Gefahr des Straßentods. Ihre Rufe erinnern an ein langsames Trillern, „Urrrrrr … ürrrrrrr”, das mit den Lauten der Maulwurfsgrille verwechselt werden kann. Als Nahrung dienen vorwiegend kriechende Insekten: Regenwürmer, Ameisen, Käfer, Spinnen und Nacktschnecken.

Kreuzkröte (Bufo calamita)

Die Kreuzkröte besiedelt ganzjährig Lebensräume, die sich durch lückige Vegetation, sonnenexponiertes Gelände und grabbaren Boden auszeichnen. Die ursprünglichen Lebensräume der Kreuzkröte – die Überschwemmungsgebiete der Flussauen – sind inzwischen weitgehend verloren gegangen. Daher kommt die Kreuzkröte heute häufig nur noch in vom Menschen erschaffenen Ersatzlebensräumen wie Abbauflächen vor. Zum Ablaichen sucht die Kreuzkröte von April bis August seichte und meist vegetationslose Tümpel auf. Auffällig ist, dass sie sich nicht hüpfend, sondern mausartig laufend fortbewegt. Die Kreuzkröte verschlingt jede Beute, die sie aufgrund ihrer Körpergröße bewältigen kann, z. B. Käfer, Hautflügler, Zweiflügler und Spinnen. Kleinere Beutetiere werden mit der Zunge geschnappt, größere mit den zahnlosen Kiefern gepackt. Die große Schallblase an der Kehle befähigt die Kreuzkrötenmännchen zu sehr lauten „Ärr … ärr … ärr”-Rufen. Die biologische Funktion dieser Paarungsrufe ist das Anlocken von Weibchen. Ein „Chor“ bestehend aus einigen Männchen ist noch aus einer Entfernung von über einem Kilometer hörbar. Mit dieser Leistung gehört die Stimme der Kreuzkröte zu den lautesten unter den einheimischen Amphibien.

Die Autorin

Sylvia Idelberger
Dipl.-Biologin, Dipl.-Ing. (FH), Ökologische Umwelt- und Landschaftsplanung

Geboren 1974. Seit 2002 bei der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz (GNOR e. V.) beschäftigt, Leiterin der Geschäftsstelle Süd.

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