Erneuter Besuch bei der Gelbbauchunke

im Steinbruch Imhausen

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Vor etwa 400 Millionen Jahren wurden im Erdzeitalter des Unterdevon in einem flachen, von Flussdeltas beeinflussten Schelfmeer die Sedimente für die Grauwacke abgelagert. Diese wird heute – nach Verfestigung und Auffaltung – im Steinbruch Imhausen abgebaut. Weniger als ein Wimpernschlag sind dagegen die 15 Jahre, die seit dem Bericht über den „Vertragsnaturschutz im laufenden Betrieb“ in der ersten Lebensraum-Broschüre der Basalt AG im Jahr 2007 vergangen sind.

Der Steinbruch als Lebensraum der Gelbbauchunke

Wie hat sich der Steinbruch in diesen 15 Jahren entwickelt und vor allem: Wie ist es dabei der Gelbbauchunke ergangen, zu deren Schutz und Förderung der Steinbruch als FFH-Gebiet und als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist?

Der Steinbruch Imhausen existiert seit 1932. Die Basalt AG hat den Betrieb 1992 übernommen, gewinnt dort rd. 350.000 t Grauwacke pro Jahr und verarbeitet sie in einer Brech- und Klassieranlage vor Ort zu qualifizierten Gesteinskörnungen und Baustoffgemischen. Im Vergleich ist der Steinbruch Imhausen damit ein eher kleiner Standort, in dem sich die Gewinnung des Gesteins zudem über bis zu acht Abbausohlen mit jeweils rd. 15 m Höhe verteilt und der Flächenverbrauch daher insgesamt gering ist. Dennoch hat sich in den letzten 15 Jahren – immerhin die Hälfte der bisherigen Laufzeit unter der Betriebsführung durch die Basalt AG – einiges bewegt, das auch Auswirkungen auf die Lebensräume der Amphibien im Steinbruch hat.

Von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung des Betriebes war in dem Zeitraum die im Jahr 2009 durch die zuständige Behörde erteilte Genehmigung zur letztmaligen Vertiefung des Abbaus. Erst Zug um Zug mit der Aussteinung dieser letzten möglichen Tiefsohle – die vollständige Ausnutzung einer Lagerstätte ist ein wichtiges Nachhaltigkeitskriterium – konnte dann im südlichen Teil des Steinbruchs die Rückverfüllung des Tiefgangs mit nicht verwertbarem Abraum beginnen. Die Möglichkeit zur betriebsinternen Verkippung des Abraums wiederum war die Voraussetzung für den Aufschluss des nächsten Abschnitts der genehmigten Abbaufläche. Auch der Verzicht auf Abraumaußenhalden trägt in Imhausen zum wichtigen Nachhaltigkeitsaspekt der Flächensparsamkeit bei. Die Gesteinsgewinnung konnte mit diesen Hand in Hand erfolgenden Schritten kontinuierlich fortgeführt werden.

Durch Tieferlegung und Rückverfüllung wurde dabei Schritt für Schritt die gesamte Tiefsohle des Jahres 2007 auf einer Fläche von rd. 25.000 m² vollständig umgestaltet: Erst wurde dort in einer Mächtigkeit von 15 m Gestein abgebaut, dann rd. 40 m Abraum verfüllt.

Die flachen Gewässer auf der Tiefsohle waren (und sind) ein sehr wichtiger Teillebensraum der Gelbbauchunke innerhalb des Steinbruchs und stellten 2007 die Hauptlaichgewässer dar. Auch in Imhausen müssen sich die Unken also mit Gefährdungen ihres Lebensraums auseinandersetzen. Glücklicherweise erfahren sie tatkräftige Unterstützung durch die Basalt AG, denn die Gefährdungen durch Abbau und Rückverfüllung kommen nicht unerwartet und die Maßnahmen zum Schutz der Unken sind darauf ausgerichtet. 

Verbreitung & Lebensräume

Das Verbreitungsgebiet der Gelbbauchunke (Bombina variegata) erstreckt sich über Mittel- und Südosteuropa (Gollmann & Gollmann 2012). Deutschland liegt dabei mit einem Flächenanteil von rd. 30 % im Zentrum des Areals und ist daher „in hohem Maße“ verantwortlich für die Erhaltung der Art in Europa. In Deutschland befindet sich der Verbreitungsschwerpunkt der Gelbbauchunken im Süden (Baden-Württemberg, Bayern), während sich durch Nordrhein-Westfalen die nordwestliche Grenze des Gesamtareals der Art etwa von der Nordeifel über den südlichen Niederrhein, das Bergische Land, Haarstrang, Hellweg und Paderborner Hochfläche bis ins Weserbergland zieht (Schlüpmann et al. 2011). Dabei kommt die Gelbbauchunke hier nicht mehr flächendeckend vor, sondern in zersplitterten und vielfach isolierten Inselvorkommen.

Der Lebensraum im Wandel der Zeit

Die ursprünglichen Lebensräume der Gelbbauchunke in der durch den Menschen noch unveränderten Naturlandschaft waren die offenen Bach- und Flusstäler, in denen die Hochwasserdynamik ständig neue Mosaike aus Kolken und Flutmulden im Wechsel mit Kies-, Sand- und Schlickbänken schuf (Gollmann & Gollmann 2012). Diese Eigenschaften des Primärhabitats prägen nach wie vor die Ansprüche der Gelbbauchunke an ihrem Lebensraum: Benötigt werden in einem engräumigen Komplex besonnte, weitgehend vegetationsfreie, flache Kleingewässer als Laichhabitat, Aufenthaltsgewässer, die auch schattiger und vegetationsreicher sein können, Schuttböschungen und Steinhaufen als Tagesverstecke sowie im nahen Umfeld Hochstaudenfluren, Wiesen oder Wälder als Landlebensraum.

Pionierart Gelbbauchunke

Primärlebensräume der Gelbbauchunke sind in Deutschland und Mitteleuropa heute nicht mehr vorhanden – die Flüsse und Bäche sind weitgehend begradigt und reguliert, ihre Ufer befestigt. Zugute kommt der Gelbbauchunke, dass ihre Eigenschaften als Pionierart unter den Amphibien sie gleichzeitig als Kulturfolger des Menschen prädestinieren. Dazu zählen beispielsweise: das schnelle Auffinden und Annehmen neu entstandener Laichgewässer innerhalb ihres allerdings begrenzten Aktionsradius, ein Laichgeschehen verteilt über die gesamte warme Jahreszeit in Abhängigkeit günstiger Wetterbedingungen sowie eine kurze Entwicklungszeit der Kaulquappen.

Eine neue Erkenntnis seit 2007 zur Verbreitungsgeschichte der Gelbbauchunke (Schlüpmann 2020) ist, dass die Art offenbar seit dem späten Mittelalter sehr erfolgreich das Netz der unbefestigten Handelsstraßen und Wege genutzt hat, um sich auch abseits der Flusstäler zu verbreiten. Hinzu kamen auch schon damals die noch sehr viel zahlreicheren und kleineren örtlichen Abgrabungsstellen für Stein, Sand, Ton oder Lehm. Die frühen Angaben zum Vorkommen der Gelbbauchunke in Nordrhein-Westfalen sprechen daher für das 19. Jahrhundert davon, dass die Art häufig und weit verbreitet war.

Der dramatische Rückgang der Gelbbauchunkenbestände begann wohl etwa Mitte des 20. Jahrhunderts, als nach den Straßen zunehmend auch kleinere landwirtschaftliche Wege flächendeckend befestigt wurden. Zu dieser Zeit haben sich Abgrabungen von eher am Eigenbedarf des näheren Umfelds orientierten Kleinstandorten zu konzentrierten industriellen Betrieben entwickelt.

Gefährdete Art von Naturschutzmaßnahmen abhängig

Die Zahl der potenziell durch die Gelbbauchunke besiedelbaren Standorte verringerte sich und an den verbliebenen, nunmehr isolierten Vorkommen verschlechterten sich die Bedingungen durch Nutzungsintensivierung.

Das Ergebnis dieser Entwicklung ist z. B. in den Einstufungen der Gelbbauchunke in den Roten Listen für Deutschland und Nordrhein-Westfalen ablesbar. Seit 2007 hat sich die Situation nicht verbessert: Nach wie vor ist die Art deutschlandweit „stark gefährdet“ und in Nordrhein-Westfalen „vom Aussterben bedroht“. Damit korrespondieren die Angaben aus dem FFHMonitoring, das deutschlandweit und für Nordrhein- Westfalen den Erhaltungszustand der Population in den Berichtsjahren 2007 und 2019 jeweils als „schlecht“ einstuft. Die Gelbbauchunke ist für ihren Bestandserhalt daher insgesamt stark von Naturschutzmaßnahmen abhängig.

Der Steinbruch Imhausen leistet hier im Konzert der zahlreichen Schutzprogramme des amtlichen und ehrenamtlichen Naturschutzes seinen Beitrag.

Sekundärhabitat Abgrabung

Im „Sekundärhabitat Abgrabung“ sind alle für die Gelbbauchunke notwendigen Lebensraumstrukturen auf engem Raum versammelt: Laichgewässer, Aufenthaltsgewässer und Landlebensräume. Die Dynamik, die diese Lebensräume in einem gewünschten frühen Sukzessionsstadium erhält und vor einer Entwertung durch Verkrautung und Verbuschung bewahrt, entwickelt der aktive Steinbruchbetrieb gewissermaßen automatisch. Die Kunst und Herausforderung besteht darin, die betriebliche Dynamik mit Abbaufortschritt, Fahrbetrieb und Rückverfüllung so zu steuern, dass alle Teillebensräume kontinuierlich zur Verfügung stehen. Zwischen dem Entstehen und Vergehen der Teillebensräume muss ein ausreichender zeitlicher Puffer liegen, der es den Gelbbauchunken ermöglicht, die neuen Standorte zu entdecken und zu besiedeln.

Für den Steinbruch Imhausen existieren dazu einige verbindliche Vorgaben, die in den Abbaugenehmigungen und in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag der Basalt AG mit dem Land Nordrhein-Westfalen zur Umsetzung der FFH-Schutzziele enthalten sind. Dazu gehören beispielsweise die Auflagen, ständig zwei Feuchtlebensraumbereiche mit je drei Kleingewässern vorzuhalten und für mindestens zwei Jahre zu erhalten oder zeitliche Beschränkungen, die etwa das Abgraben von als Winterquartier nutzbaren Halden während der Winterruhe ausschließen.

Erfolgreiche Reproduktion durch Rohbodenlandschaft

Augenscheinlich wird die Wirksamkeit dieses Biotopmanagements bereits in den Fotos, die den Tiefgang im Jahr 2022 zeigen: An ganz anderer Stelle als 2007 finden sich die qualitativ gleichwertigen flachen Gewässer, die nach wie vor von der Gelbbauchunke erfolgreich zur Reproduktion genutzt werden.

Darüber hinaus gilt es aber, weiter in die Zukunft des Standortes zu blicken. Wenn der Steinbruchkessel nach Einstellung des Abbaus sich selbst überlassen bliebe, würde sich ein großes und 40 bis 50 Meter tiefes Gewässer bilden, das als Lebensraum für die Gelbbauchunke ungeeignet wäre. Die genehmigte Planung zur Renaturierung des Steinbruchs sieht daher vor, den Steinbruchkessel so weit mit Abraum und Erdaushub zu verfüllen, dass keine geschlossene Wasserfläche entsteht, sondern eine Rohbodenlandschaft, in deren bewegtem Mikrorelief sich dann zahlreiche Tümpel und Kleingewässer im Wechsel mit offenem Boden und Steinschutthaufen anlegen lassen. Für die erfolgreiche Umsetzung dieser Renaturierungsplanung ist es wichtig, die Gelbbauchunken aus dem Tiefgang mit nach oben zu nehmen: auf das Höhenniveau der späteren Tümpel- und Rohbodenlandschaft und ihnen bereits frühzeitig im laufenden Abbaubetrieb dort geeignete Habitate anzubieten.

In enger Abstimmung mit einem über den öffentlichrechtlichen Vertrag eingerichteten Beirat, dem u. a. Vertreter des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, der Naturschutzbehörden, der Biologischen Station im Rhein-Sieg-Kreis und der Naturschutzverbände angehören, ist dies in Imhausen durch freiwillige Maßnahmen der Basalt AG bisher gelungen: Der ehemalige Standort der Asphaltmischanlage wurde nicht zum Lagerplatz, sondern beherbergt heute einen der für die Gelbbauchunke wichtigsten Gewässerkomplexe auf dem Betriebsgelände. Die heute bereits rückverfüllte Fläche vermittelt ein Bild, wie die spätere Rohbodenlandschaft aussehen wird: Die angelegten Kleingewässer werden bereits gut als Laichgewässer angenommen und die blütenreichen Hochstaudenfluren locken zahlreiche Insekten an, die im Landlebensraum eine Nahrungsgrundlage für die Unken darstellen. Die Neuanlage eines etwa 150 m² großen, ständig wasserführenden Gewässers und die Optimierung der Rückhalte- und Absetzbecken durch Steinschüttungen bieten neben der Gelbbauchunke auch der zweiten seltenen Amphibienart in Imhausen, der Geburtshelferkröte, dauerhaften Lebensraum. 

Abb. links: Der Laich der Gelbbauchunke besteht aus kleinen Klumpen mit meist 10 – 20 Eiern, die an Pflanzen befestigt werden 
Abb. rechts: Hier sind bereits gut die Embryonen erkennbar, ihre Entwicklung verläuft bei der Pionierart Gelbbauchunke schnell 

Die Biologische Station im Rhein-Sieg-Kreis würdigt in ihrem Maßnahmenkonzept für das FFH-Gebiet „Steinbruch Imhausen“ (Steinwarz 2020), dass „die Mitarbeiter des Steinbruchbetriebes sich mit großem Einsatz um den Erhalt der Amphibien bemühen“ und dokumentiert den bemerkenswerten Erfolg der durchdachten Artenschutzmaßnahmen: Die Zahl der Gelbbauchunken im Steinbruch Imhausen hat sich von etwa 20 im Jahr 2007 auf aktuell über 100 rufende Unken erhöht. Das Maßnahmenkonzept stellt daher fest, dass „die aktive Nutzung des Steinbruchs aktuell den besten Schutz der Lebensbedingungen für die Zielarten darstellt“ und empfiehlt, „einen Betrieb des Steinbruchs auch über die bestehenden Genehmigungen hinaus mit naturschutzrechtlichen Auflagen zu ermöglichen“.

Ein besseres Zeugnis kann man sich als Betreiber nicht wünschen. Die Erweiterung des Steinbruchs Imhausen ist im Dienste der regionalen Rohstoffversorgung und des Artenschutzes auch bereits geplant und wird hoffentlich die Fortführung des Betriebes und nach weiteren 15 Jahren einen neuen Blick in den Lebensraum der Gelbbauchunken ermöglichen.

Quellen

  • Gollmann, B. & G. Gollmann (2012)
  • Schlüpmann, M., M. Bußmann, M. Hachtel und U. Haese (2011)
  • Schlüpmann, M. (2020)
  • Steinwarz, D. (2020)
  • Basalt AG
  • Ralph Voigt

Der Autor

Ralph Voigt

geb. 1973

Diplom-Landschaftsökologe

Studium der Landschaftsökologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Seit 2001 bei der Basalt AG zuständig für Umwelt, Genehmigungen und Lagerstätten in der Region Sauerland, Oberbergisches Land und Westerwald.