Die Bedeutsamkeit von Steinbrüchen

als relevanter Lebensraum für den Uhu

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Ausgangssituation

Der Uhu war Anfang des 20. Jahrhunderts in großen Teilen Deutschlands weit verbreitet und mit einem geschätzten Bestand von rund 2500 Brutpaaren (BERGERHAUSEN & RADLER 1989) für Großvogelarten vergleichsweise häufig. Später hat er einen stetigen und rapiden Bestandszusammenbruch erlebt, der ihn binnen weniger Jahrzehnte in den 1930er-Jahren an den Rand der Ausrottung gebracht hat – und durch den große Teile seiner früheren Brutareale verwaisten. Er war wegen der resultierenden akuten Bedrohung Gegenstand intensivster Schutzbemühungen von Naturschutzbehörden und -verbänden.

Bestandsentwicklung & Artenhilfsprogramm

Die Erholung der Bestände des Uhus hat nach einem Tiefpunkt der Bestandsentwicklung in den 1930er-Jahren bereits lange vor dem Start des Hilfsprogramms für diese Art eingesetzt: Bereits seit den 1960er-Jahren hat der Uhu seine angestammten Verbreitungsschwerpunkte in den bayerischen Mittelgebirgen und in den Alpen Zug um Zug wiederbesiedelt. Dass dennoch 2001 ein neues Artenhilfsprogramm für den Uhu anlief, lag zum einen an den sich mehrenden Hinweisen auf eine seit Mitte der 1990er-Jahre stark rückläufige Reproduktion bayerischer Uhus, zum anderen an den erheblichen Wissensdefiziten zu Bestand und Fortpflanzung, die eine verlässliche Bewertung dieser anfangs noch vagen Hinweise nicht zuließen.

Erfolgreicher Artenschutz

Der Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V. (LBV) führt im Auftrag des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) daher seit 2001 Untersuchungen zu Bestand und Reproduktion des Uhus in den bayerischen Verbreitungszentren durch und setzt hierbei gemeinsam mit Kooperationspartnern und diversen Akteuren mittlerweile vermehrt notwendige Schutzmaßnahmen um. Die Bestandsentwicklung des Uhus ist ein Positivbeispiel eines erfolgreichen Artenschutzes. Durch die intensiven Schutzbemühungen ist es gelungen, die massiven Bestandseinbrüche früherer Jahrzehnte zu stoppen und eine Trendumkehr zu bewirken, die die Wiederbesiedlung des gesamten zuvor verloren gegangenen Areals ermöglicht hat. Darüber hinaus konnte außerdem eine Ausbreitung in Regionen dokumentiert werden, in denen der Uhu vor den jeweiligen Bestandszusammenbrüchen früherer Jahre wohl allenfalls unregelmäßiger und sporadischer Brutvogel war.

Der Gesamtbestand des Uhus in Bayern wird auf 420 bis 500 Brutpaare geschätzt (RUDOLPH et al. 2016). Diese Angabe beruht auf den Bestandserhebungen für den Atlas deutscher Brutvogelarten 2005 – 2009. Aufgrund einer unbekannten Dunkelziffer an bislang nicht erfassten Artvorkommen ist von einem deutlich höheren realen Bestand auszugehen.

Im Artenhilfsprogramm Uhu wurden 2021 Bestands und Brutdaten zu insgesamt 256 besetzten Revieren in Unterfranken, im Nördlichen und in Teilen des Südlichen Frankenjura, entlang der Isar und im bayerischen Alpenraum erhoben. Zudem liegen Streudaten zu 129 besetzten Revieren außerhalb dieser systematisch bearbeiteten Probeflächen vor. Diesen Daten zufolge ist der Bestand des Uhus in Bayern derzeit als mindestens stabil einzuschätzen.

Entwicklung eines „Steinbruchpaktes“

Pilotvorhaben für den Uhu in Unterfranken

Fast die Hälfte aller bayerischen Uhuvorkommen nutzt nicht das primäre Bruthabitat „Fels“, sondern sekundäre Bruthabitate in Rohstoffgewinnungsstätten und dort vor allem wiederum in Steinbrüchen (Bezzel et al. 2005). Regional kann der Anteil der Steinbruchvorkommen an der Gesamtpopulation sogar noch weit höher sein, so etwa in Unterfranken. Der Uhu brütet hier bis auf wenige Ausnahmen fast nur in Steinbrüchen. Die aktuellen Bestands- und Brutdaten für die gesamte Region sind damit eine wichtige Datenbasis für unsere Umsetzungsmaßnahmen im Steinbruchpakt mit unseren Kooperationspartnern aus der Rohstoffgewinnungsindustrie.

Die unterfränkischen Sekundärhabitate beherbergen die derzeit erfolgreichste Lokalpopulation des Uhus in Bayern. Erhalt und Schutz der Steinbruchvorkommen besitzen daher schon aufgrund des hohen Anteils dieser Vorkommen an der Gesamtpopulation besondere Relevanz für deren dauerhafte Stabilisierung.


Dieser Schutzbedürftigkeit stehen eine ganze Reihe spezifischer Gefährdungen gegenüber, denen Uhus in Rohstoffgewinnungsstätten unterliegen und die die Sicherung der Steinbruchvorkommen erschweren. Da ist beispielsweise das besondere Störpotenzial des Abbaubetriebs für das Brutgeschehen. Zudem besteht in vielen noch betriebenen Steinbrüchen durch den Abbaufortschritt die Notwendigkeit, zum einen flexibel auf das Verschwinden zu reagieren, aber andererseits auch auf die Neuentstehung von Brutmöglichkeiten zu achten. Nicht zu vergessen die Gefahr des dauerhaften Lebensraumverlustes nach Abbauende. Diese ist gegeben, wenn nicht von vorneherein auf die Verfüllung des aufgegebenen Steinbruchs teilweise verzichtet wird. Alternativ kann zum Auslaufen des Abbaus in einer neuen Rohstoffgewinnungsstätte Ersatz für verloren gehenden Lebensraum geschaffen werden.

Gleichzeitig aber beinhalten Steinbrüche auch wieder – schon durch das weitgehende Fehlen von anderen Störungseinflüssen als dem Abbaubetrieb – besonderes Potenzial für den Schutz des Uhus, wenn es gelingt, in Kooperation mit Steinbruchbetreibern und Genehmigungsbehörden Belange des Uhuschutzes in Abbauplanung und -betrieb zu integrieren. Dass eine solche Kooperation durchaus möglich und für alle Beteiligten erfolgversprechend ist, zeigen die Erfahrungen im unterfränkischen Steinbruchpakt.

Die positiven Erfahrungen aus bestehenden Kooperationen mit den Steinbruchbetreibern und das enorme Potenzial für den Uhuschutz in bayerischen Steinbrüchen waren Anlass für Überlegungen in der projektbegleitenden Steuergruppe zum Artenhilfsprogramm Uhu ein weiterreichendes Kooperationsprojekt für diese Zielart aufzulegen. Als Pilotgebiet für das Vorhaben wurde Unterfranken ausgewählt. Dies geschah vor allem, weil dort in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit Maßnahmen des Uhuschutzes schon verschiedentlich erste Kontakte zu Steinbruchbetreibern geknüpft werden konnten. Eine gute Basis, um in den kommenden Jahren einen tragfähigen „Steinbruchpakt“ für den Uhu in Unterfranken weiterzuentwickeln.

Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2009 mit verschiedensten Steinbruchbetreibern in der Region, aber auch mit dem Bayerischen Industrieverband Steine und Erden e. V. sowie der Arbeitsgemeinschaft bayerischer Bergbau- und Mineralgewinnungsbetriebe (ABBM) die Zusammenarbeit auf ein neues und nachhaltig wirkendes Fundament im Rahmen eines „Steinbruchpaktes“ gestellt. Dieser Steinbruchpakt besteht bis heute mit stetig wachsender Anzahl an Partnerunternehmen. Alle beteiligten Unternehmen haben den ehrenamtlichen Beobachtern, die sich um Erfassung und Schutz des Uhus in den jeweiligen Steinbrüchen bemühen, freien Zugang zu ihren Betriebsflächen eingeräumt und die dafür notwendigen Sicherheitseinweisungen vorgenommen. Die beteiligten Unternehmen haben sich darüber hinaus bereiterklärt, bei vom LBV geplanten und umgesetzten Uhuschutzmaßnahmen auf ihren jeweiligen Betriebsflächen mit ihrem Personal und ihrem Maschinenpark Hilfestellung zu leisten.

Maßnahmenumsetzung

In vielen Steinbrüchen in Unterfranken sicherte der LBV gemeinsam mit den Betreibern Lebensräume „aus zweiter Hand“: Nicht mehr nutzbare Brutplätze wurden saniert und neue bei fehlenden Möglichkeiten geschaffen. Wir sorgen dafür, dass in aktiven Steinbrüchen die Rohstoffgewinnung und der Uhuschutz einhergehen. Im Steinbruch Helmstadt wurde beispielsweise das Brutplatzangebot durch die Optimierung möglicher Brutnischen durch die Aktiven des LBV in Zusammenarbeit mit dem Steinbruchbetreiber verbessert. Diese Maßnahme begegnete dem aufgrund der Rekultivierungsplanung absehbaren Verlust der derzeit genutzten Brutplätze durch Verfüllung des aufgelassenen Steinbruchs. Die Vorgehensweise sorgt jetzt schon für alternative Brutplätze in einer bisher für den Uhu kaum nutzbaren, von der Verfüllung dauerhaft ausgesparten Steinbruchwand.

Die angelegte Nische wurde bereits im folgenden Jahr erfolgreich zur Brut angenommen.

Betriebstätigkeiten (einschließlich Sprengarbeiten) und der Schutz des örtlichen Uhuvorkommens lassen sich bisher mit allen Partnerunternehmen mit abgestimmten Maßnahmen und vorausschauendem Habitatmanagement gut vereinen.

Quellen

  • BERGERHAUSEN, W. & RADLER, K. (1989)
  • GEIDEL, C. & LANGER, T. (2022)
  • RUDOLPH, B. U., J.
  • SCHWANDNER & H.-J.
  • FÜNFSTÜCK (2016)
  • BAG 
  • H. Brönner
  • J. Salzmann
  • Sitkewitz, LBV

Der Autor

Marc Sitkewitz
geb. 1978, Dipl.-Ing. (FH)
Umweltsicherung

Studium an der FH Weihenstephan/Triesdorf mit Abschluss als Dipl.-Ing. (FH) Umweltsicherung.

Seit 2006 Leiter der LBV-Bezirksgeschäftsstelle in Unterfranken.

Durchführung eigener Telemetriestudien zur Raum- und Habitatnutzung des Uhus.

Initiator und Koordinator des Frankenbündnisses Natur: Rohstoffgewinnung und Naturschutz ziehen an einem Strang.