Schonungen

Neues Leben im Kalksteinbruch

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  • Abb. 1: Kalksteinbruch Schonungen (Foto: W. Röth)
  • Abb. 2: Der Kalksteinbruch Schonungen nach Abbauende – Blick auf die südexponierten Steilwände, den grundwassergespeisten See und die steil abfallenden Uferbereiche im Westen. (Foto: W.Röth, 2004)
  • Abb. 3: Faunistische Leitart in Muschelkalkbrüchen: Die „Rotflügelige Ödlandschrecke“ siedelt bevorzugt auf (vegetationsarmem) Kalksteingeröll und ist in Bayern vom Aussterben bedroht (Rote Liste). (Foto: E. Pfeuffer; LBV Archiv)

Kalksteinbrüche im Allgemeinen

Das Muschelkalkvorkommen in Bayern erstreckt sich von Nord-Württemberg (Bad Mergentheim) im Süden, über den Westen Bayerns (Würzburg/Bad Kissingen) bis nach Meinigen im Norden.In Kalkbrüchen ist vor allem der Anteil an submediterranen Arten hoch, da die Flachgründigkeit gepaart mit geringer Wasserkapazität des Bodens sowie Nährstoffarmut und gute Wärmeleitfähigkeit des Gesteins entsprechende Standortvoraussetzungen bieten.

Auf den mageren sonnenexponierten Trockenstandorten der Kalkbrüche werden der höchste Artenreichtum und der höchste Anteil an gefährdeten Arten sowohl in Bezug auf die Flora als auch die Fauna in Steinbrüchen erreicht.Sogenannte „LEITARTEN“ (Quelle: LPK Bay StLFU/ANL 1995; Abb. 3, Seitenkopf) bestimmen den Wert des Standortes; allerdings ist zur Etablierung dieser seltenen Arten ein gewisser Zeitraum der Sukzession (Entwicklung) notwendig.

Der Kalksteinbruch Schonungen im Besonderen

Die Lage

Der Muschelkalkbruch liegt bei Hausen, etwa 4,5 km nördlich der Ortschaft Schonungen und etwa 5 km östlich der Stadt Schweinfurt im Landkreis Schweinfurt, Regierungsbezirk Unterfranken.

Das Gebiet gehört dem Naturraum „Hesselbacher Bergland“ an und grenzt unmittelbar an das Naturschutzgebiet „Hausener Tal“ mit dem „Ottenhäuser Grund“ und dem „Hesselbacher Grund“. Daher ist die Anbindung zu gleichartigen Lebensräumen (Halbtrockenrasen, kleinere alte Abbaustellen, Wollenbachtal) sehr gut. Ein weiterer wertbestimmender Vorteil für den Standort ist die Abgeschiedenheit der Lage umgeben von Laubmischwaldbeständen, weitab von Straßen, Bebauungen etc.Geologisch gehört das Areal zum bayerischen Schichtstufenland – im Übergang vom oberen Muschelkalk zum unteren Keuper.

Die Historie

Der Abbaubetrieb in Schonungen begann im Jahr 1969 durch die Fa. Wendt. Nach einigen Betreiberwechseln übernahm die Basalt AG schließlich den Steinbruch und beendete die Abbautätigkeit im Jahr 1998. Damit wurden die Weichen gestellt,um das Gelände der Natur zurückzugeben. Die W.RÖTH GmbH (Landschaftsarchitekten, Amberg) erarbeitete in enger Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Schweinfurt anschließend ein Konzept zur Renaturierung. Darin wurden der endgültige Zustand des Steinbruches sowie ein Pflegekonzept zur langfristigen Sicherung bestimmter Entwicklungsziele festgelegt. 

Das Renaturierungskonzept

Der Kalksteinbruch Schonungen beherbergte bereits nach Abbauende trotz seiner relativ geringen Größe von 9,5 ha ein sehr vielfältiges Standortmosaik (Abb. 4) bestehend aus: Ab­bruchwänden, grundwassergespeistem See, Kleingewässern auf der Bruchsohle, Schotterflächen, Bruchsteinschüttungen und Abraumhalde.So waren im Rahmen der Renaturierung lediglich geringfügige Geländeveränderungen zur Standortverbesserung notwendig. Mit Ausnahme einer kleinflächigen, naturnahen Aufforstung auf der Abraumhalde wurde das gesamte Areal der Sukzession überlassen (Abb. 5).

Der Kalksteinbruch Schonungen - Die Rückgabe an die Natur

Die Abraumhalde

Entwicklungsziel: Eichen-Hainbuchen-Wald, Wald­sukzession, Aufforstung in Teilbereichen 
Pflege: Im 1.–8. Jahr wird 1 x pro Jahr unewünschter Gehölzaufwuchs nicht heimischer Arten (Fichte, Robinie) entfernt.

Lebensraum

Flora Heute: Pioniergehölzstadium mit ruderaler Krautflur – dominiert von Salix cine­rea (Grau-Weide). Weitere z.T. unerwünschte Pioniere wie – Robinia pseudoacacia (Robinie), Pinus sylvestris (Wald-Kiefer), Picea abies (Fichte), u. a., im Unterwuchs domi­niert Steinklee (Melilotus officinalis, M. alba; Abb. 6).
Fauna Heute: Zusammen mit dem angrenzenden Laubmischwald hat die „Waldsukzession“ auf der Abraumhalde v. a. eine Bedeutung für die Vogelwelt – aktuell wurden der Wespenbussard und der Grünspecht gesichtet.

Die Bruchsohle/Bruchsteinschüttungen 

Entwicklungsziel: Feuchtvegetation, Kalkhalbtrockenrasen, Kalkmagerrasen
Pflege: regelmäßige jährliche Mahd mit Abfuhr des Mahdgutes

Lebensraum

Flora Heute: Der Bewuchs auf der Steinbruchsohle ist zurzeit von vielfältigen Pionierstadien geprägt – so sind Bereiche des Fußes der Abraumhalde von Huflattich (Tussilago farfara Abb. 7) do­miniert, Teilflächen sind nur sehr spärlich mit Initialvegetation bewachsen (Abb. 8), und in den flachen Gewässerausläufern hat sich ein relativ geschlossener Röhrichtbestand etabliert, dominiert vom Rohrkolben (Thypha latifolia/Th. angustifolia). Außerdem wurden Bruchsteinschüttungen als zusätzlicher Standort v. a. für Reptilien im Sohlenbereich aufgebracht (Abb. 9).

Fauna Heute: Die Strukturvielfalt der Bruchsohle bietet sehr gute Voraussetzungen für die Ansiedlung seltener Tierarten. Aktuell gesichtet wurden Vögel wie der Flussregenpfeifer (in Bayern gefährdete Art; Brutplatz auf vegetationsarmen Flächen in Gewässernähe), Heuschrecken wie der Braune Grashüpfer und die Gemeine Dornschrecke (nicht gefährdet), Sandlaufkäfer wie der Feld-Sandlaufkäfer (in Bayern gefährdete Art; besiedelt vegetationsarme Flächen).

Gewässer

Entwicklungsziel: temporäre und dauerhafte Feuchtzonen und Flachwasserbereiche 
Pflege: keine 

Lebensraum 

Flora Heute: Im Bereich der Flach­wasserzonen des Sees hat sich ein fast flächendeckender Röhrichtbestand eingestellt, dominiert von Rohrkolben (Thypha latifolia, Th. angustifolia) und partiell Schilf (Phragmites australis; Abb. 10).
Fauna Heute: Bei den an Gewässer gebundenen Arten sind Amphibien- und Libellenarten wertbestimmend. Neben Allerweltsarten wurden aufgrund der Nährstoffarmut des Sees mit geringem Fischbestand folgende Arten gesichtet:

Amphibien: Grasfrosch, Teichmolch, Erdkröte, Berg­­­­molch (in Bayern z. T. gefährdete Arten) Libellen: Glänzende Binsenjunfer (in Bayern z. T. gefährdete Arten).

Felswände

Entwicklungsziel: Sukzession
Pflege: keine

Lebensraum

Flora Heute: Die Bruchwand ist aufgrund des leicht erodierenden Muschelkalkes sehr brüchig – größere Felsvorsprünge, Nischen oder Höhlen fehlen.Auf schmalen, erodierten, aber daher langfristig offenen Felsbändern kann sich eine magere Felsbandvegetation entwickeln (Abb. 11). 
Fauna Heute: Obwohl größere Felsnischen fehlen, wurden Vogelarten gesichtet, die ihren Brutplatz in Nischen der Felswände anlegen: Bachstelze, Hausrotschwanz (nicht gefährdet).

Der Standort Schonungen Morgen - Eine Oase der Artenvielfalt

Die Wertebestimmung

Aufgrund der unterschiedlichen, z. T. gegensätzlichen und unmittelbar benachbarten Standortsituationen innerhalb des Steinbruches entsteht eine Vielzahl sogenannter „Grenzlinien“, einer der wertbestimmendsten und herausragendsten Faktoren für die Ökologie des Lebensraumes „Steinbruch“. Gleichzeitig bilden die vegetationsarmen Pionierstandorte in Steinbrüchen wichtige Ersatzlebensräume für selten gewordene Standorte.

Daneben ist die abgeschiedene, ungestörte Lage des Steinbruches in Schonungen von großem Vorteil für die langfristig positive Entwicklung der Flora und Fauna. Die sehr gute Anbindung an gleichartige Biotopstrukturen in Nachbarschaft zum Naturschutzgebiet „Hausener  Tal“ (artenreicher Mischwald, Kalkmagerrasenhänge, Wollenbachtal) schafft sehr gute Voraussetzungen für die Einwanderung von Arten in den renaturierten Bruch. Gerade diese oben geschilderten Bedingungen fehlen in unserer heutigen Kulturlandschaft weitestgehend, was zu dem allgemein und europaweit zu beobachtenden Artenrückgang führt.

So bildet der Steinbruch Schonungen eine Oase für geschützte, da seltene oder vom Aussterben bedrohte Arten der Flora und Fauna, und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zum Artenschutz. Das Areal stellt somit einen der wenigen Rückzugsräume für die Natur in unserer überwiegend „genutzten“und vielfach „übernutzten“ Umwelt dar.

Potenziale zunküftiger Entwicklung im Lebensraum Steinbruch

Auch wenn der augenblicklich noch sehr junge Sukzessionszustand in Schonungen viele Allerweltsarten beherbergt, ist das Potenzial für die Ansiedlung seltener und vom Aussterben bedrohter Arten überdurchschnittlich günstig.

Bruchsohle

Durch regelmäßige Mahd und Abfuhr des Mahdgutes auf der besonnten Schottersohle werden sich mit der Zeit seltenere Pflanzenarten magerer Standorte einstellen, z. B. Orchideen. Für viele Tierarten wie Heuschrecken (Leitart: Rot- und Blauflügelige Ödlandschrecke) ist das Freihalten der Flächen von Vegetation lebensnotwendig. Andere Gattungen wie die Laufkäfer sind zusätzlich an unterschiedliche Feuchtegrade des Bodens gebunden. Beide Bedingungen sind in Schonungen erfüllt.Reptilien (Leitarten: Schlingnatter Abb. 12, Kreuzotter) sind an ein kleinräumiges Standortmosaik aus Gebüsch, Gras-Krautflur, vegetationsfreien Schotter- und Blockschutthalden gebunden und finden daher am Standort ebenfalls sehr gute Bedingungen vor.

Felswände

Diese Standorte haben in unmittelbarer Nachbarschaft zum Laubmischwald und den Gehölzsukzessionsstadien eine große Bedeutung, insbesondere für die vielfach gefährdeten Großschmetterlingsarten (Leitart: Berghexe).Der erodierte Fels dient Mörtel- und Mauerbienen als Unterschlupf (Abb. 13). Gleichzeitig bilden Felsvorsprünge und Nischen Brutplätze für seltene Vogelarten wie z. B. den Uhu.

Gewässer

Die besonnten Flachwasserzonen des nährstoffarmen, da grundwassergespeisten Sees mit nur geringem Fischbestand sowie weiterer kleiner Gewässer in Kombination mit verschiedenen Sukzessionsstadien der Vegetation bieten vielen Amphibienarten Lebensraum. Wichtige Leitarten sind hier die Gelbbauchunke, die Kreuzkröte, die Geburtshelferkröte und der Kammmolch (Abb. 14).

Bei den Libellenarten können sich aufgrund der Fischarmut im Gewässer und der Ungestörtheit neben den vielen z. T. gesichteten Allerweltsarten potenziell auch eher seltene Arten ansiedeln, z. B. Gebänderte Heidelibelle, Südlicher Blaupfeil (Abb. 15).

Die Autorin

Christine Meyer
Dipl.-Ing. (FH)

geboren am 18.03.1965 in Hamburg, 1984–1989 Studium der LANDESPFLEGE an der FH Weihenstephan in Freising, 1989 Eintritt in das Landschaftsarchitekturbüro RÖTH in Amberg Opf, Leiterin der Abteilung Raumplanung/Landschaftsplanung, seit 2003 Geschäftsführerin W.RÖTH GmbH zusammen mit Dipl.-Ing. Michael Zinnecker

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