Steinbruch Schonungen/Hausen

Ein Kalksteinbruchsee 24 Jahre nach Rückbau

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Rekultivierte Steinbrüche sind wahre Kleinode in der Landschaft. Sie bieten vielen Tier- und Pflanzenarten einen neuen Lebensraum. Bei der Betrachtung dieser neu geschaffenen Naturräume liegt der Fokus, wenn es um Gewässer geht, meist auf den temporären Kleingewässern. Diese sind insbesondere für Amphibien und Libellen Kinderstuben. Obwohl sie ein wichtiges Element in einem intakten Ökosystem sind, kamen bei der Betrachtung und Bewertung in der Vergangenheit große, tiefe und permanent wasserführende Seen meist zu kurz.

Das mag zum einen daran liegen, dass die Besiedlung in einem Steinbruchsee im Gegensatz zu den übrigen Teilen des Steinbruchs viele Jahre dauert und es darüber hinaus wesentlich aufwendiger ist als die außerhalb des Wassers vorkommenden Arten zu kartieren.

Nach 24 Jahren lebenswert?

Ein sich füllender Steinbruchsee ist für viele Tier- und Pflanzenarten in den ersten Jahren nach dem Abbau ein lebensfeindlicher Lebensraum. Nährstoffarm und durch mineralische Schwebstoffe getrübt, bietet er weder Wasserpflanzen noch im Wasser lebenden anderen Arten Licht und Nahrung.

Seen in Basaltsteinbrüchen klären sich wegen der mangelnden Wasserlöslichkeit des Basalts schneller als die in Kalksteinbrüchen. Diese besitzen jedoch den Vorteil, dass hier das für viele Organismen notwendige Calciumkarbonat (CaCO3) reichlich vorhanden ist. Wie es unter der Wasseroberfläche im Muschelkalksee in Schonungen nach 24 Jahren aussieht, wollten die beiden Taucher Lorenz Seebauer und Volker Krautkrämer genau wissen und mit einem Tauchgang dort in Erfahrung bringen.

Geographische & landschaftliche Lage

Der Steinbruch, in dem bis 1998 Muschelkalk abgebaut wurde, liegt knapp 2,4 km nördlich der Ortschaft Hausen, die zum Ortsteil Schonungen und zum unterfränkischen Landkreis Schweinfurt gehört.

Der Steinbruch und das umliegende Gebiet liegen im Naturraum „Hesselbacher Waldland“. Diese Gegend zählt zu der etwas über 250 km2 großen Hochebene „Schweinfurter Oberland“. Die höchste Erhebung erreicht hier eine Höhe von bis zu 423 m ü. NN. Der ehemalige Steinbruch liegt mitten in einem größeren Waldabschnitt mit Laub- und Nadelhölzern. Das Gelände ist mit einem Zaun gesichert und das Betreten von unbefugten Personen ist streng verboten.

Größe & Beschreibung

Mit einer Ausdehnung von etwas mehr als 530 m Länge und einer Breite von ca. 180 m zählt der mit 9,2 ha große Kalksteinbruch eher zu den kleineren Steinbrüchen. Der Gesteinsabbau wurde durch die Fa. Wendt begonnen und nach einigen Besitzerwechseln von der Basalt AG beendet. Es folgte eine Renaturierung in enger Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Schweinfurt.

Im nördlichen Teil des Steinbruchs liegt der See. Mit einer Fläche von knappen 3 ha und mit den im südlichen Bereich befindlichen temporären Kleingewässern nimmt die Wasserfläche etwa 1/3 der Gesamtfläche des Steinbruchs ein. Abraumhalde, Steinaufschüttungen und die Steinbruchsohle mit unterschiedlichen Vegetationsräumen füllen den Rest der Fläche aus.

Steinbruchsohle & Abraumhalde

Die Steinbruchsohle liegt auf 301 m ü. NN. Hier wachsen neben unterschiedlichen Süß- und Sauergräsern bevorzugt Grauweiden (Salix cinerea) und Waldkiefern (Pinus sylvestris).

Auf der ehemaligen Abraumhalde haben sich neben verschiedenen Kratz-Distelarten auch Hornklee, Habichtskraut und der Rainfarn (Tanacetum vulgare) angesiedelt, der nicht nur als Futterpflanze für die Raupen vieler Tag- und Nachtfalterarten dient, sondern auch für bestimmte Arten von Schmetterlingen sogar lebensnotwendig ist.

Auch die bei vielen Insekten beliebte Futterpflanze Goldrute (Solidago canadensis) hat sich auf der ehemaligen Abraumhalde etabliert. Die Waldrebe (Clematis vitalba) überzieht die ehemals karge Steinwüste und bildet dichte Bestände aus. Ihre hübschen weißen Blüten spenden reichlich Nektar.

Die Kalksteinwände

Bei dem Steinbruch Hausen handelt es sich um einen Steinbruch, in dem Muschelkalk abgebaut wurde. Dieses Kalkgestein ist vor über 220 Millionen Jahren entstanden und zählt zu den „weichen Gesteinsarten“. Auf der 10-stufigen „Mohs-Skala“ besitzt Muschel-Kalkgestein einen Härtegrad on 3 (1 = weich, 10 = hart).

Durch die Auswirkungen der Erosion lösen sich bei Kalkgestein öfters kleinere und größere Teile aus der Felswand und stürzen in den darunter befindlichen See. Aber auch die Besiedlung von Gehölzen in der Felsenwand, die mit ihren Wurzeln das Gestein lockern, sorgt für regelmäßige „Gesteinsabgänge“.

Im Zuge dieser Erosion und Sukzession entstehen in der Steilwand immer wieder neue Lebensräume, die von Pionierarten besiedelt werden. Die neu geschaffenen Strukturen bieten dennoch genügend Zuflucht- und Versteckmöglichkeiten für Fledermäuse, Kleinvögel und Insekten.

Flora & Fauna am Steinbruchsee

Der Steinbruchsee & seine Bewohner

Der See weist eine Länge von etwa 300 m und eine maximale Breite von knappen 130 m auf. Die gesamte Uferlänge des Sees beträgt knapp 900 m. Nördlich und östlich wird der See, der an seiner tiefsten Stelle 17 m misst, von den über 10 m hohen und steil aufragenden Kalksteinwänden begrenzt. Diese steil abfallende Struktur mit Spalten und kleinen Höhlen setzt sich auch unter Wasser bis zum Grund des Sees fort.

Der südliche Teil des Steinbruchsees läuft relativ flach aus, sodass sich hier einige Helophytenarten ansiedeln konnten. Die dominierende Art ist das Schilfrohr (Phragmites australis). Es bildet zum Teil einen recht dichten Bestand aus, der sich zur Seeseite bis zu einer Wassertiefe von 60 cm ausgebreitet hat. Gefolgt von dem Schmalen Rohrkolben (Typha angustifolia), der Teichbinse (Schoenoplectus lacustris) und dem Breitblättrigen Rohrkolben (Typha latifolia).

Der nordwestliche Teil des Sees ist mit Grauweiden, Erlen und einigen Waldkiefern besäumt. Hier hatte 1 – 2 Wochen zuvor ein Biber dem Steinbruch einen Besuch abgestattet und „ganze Arbeit geleistet“. Eine Weide wurde dabei nach Biberart „fachmännisch“ gefällt, die saftigen Triebe und große Teile der Rinde verzehrt.

Über dem Röhricht und der Wasserfläche tummelten sich viele Libellenarten. Die auffällige hübsche rote Heidelibelle war augenscheinlich die häufigste Art. Zwischen Schilf und Rohrkolben fühlen sich Wasserfrösche (Pelophylax esculentus) vor Feinden geschützt recht wohl. Schwimmblätter vom Knotenlaichkraut (Potamogeton nodosus) auf der Wasseroberfläche waren der erste Hinweis auf Wasserpflanzen im See.

Beim anschließenden Tauchgang wurde festgestellt, dass diese submerse (untergetauchte) Wasserpflanze mit teilweise ausgeprägten Schwimmblättern in dem Kalksee die dominierende Art ist. Sie besitzt eine etwas breitere ökologische Amplitude, gilt als Pionierart und kommt aber vorzugsweise in nährstoffarmen bis mäßig nährstoff- und kalkreichen Stand- und Fließgewässern vor.

Weitere Pflanzenarten im See waren das Ährige Tausendblatt (Myriophyllum spicatum) und das Krause Laichkraut (Potamogeton crispus). Dass selbst die kleineren und größeren Felsspalten unter Wasser Lebensraum sind, bewiesen Fische (Rotaugen) auf anschauliche Weise, indem sie diese als Zufluchts- und Versteckmöglichkeit nutzten.

Die Untersuchung des Sees hat gezeigt, dass der Steinbruchsee mit den darin befindlichen Arten in seiner Entwicklung auch nach über 20 Jahren noch nicht abgeschlossen ist. Wenn auch die Leitarten „Armleuchteralgen“ fehlen, so ist er nach NATURA 2000 dem Lebensraumtyp 3140 – Kalkreiche, nährstoffarme Stillgewässer – zuzuordnen.

Wir haben den Steinbruch im Bewusstsein verlassen, dass die an einem Tag vorgefundenen Tiere und Pflanzen im Steinbruch einschließlich des darin befindlichen Sees und dessen Bewohnern nur eine Momentaufnahme sind und wir nicht alle Arten gesehen haben. Dennoch wird deutlich, dass eine Renaturierung nicht nur auf kurze Zeit ausgerichtet, sondern auch nach mehr als 20 Jahren ein Erfolgsrezept ist.

Quellen

  • L. Seebauer
  • V. Krautkrämer
  • W. Fortkort 

Der Autor

Lorenz Seebauer
geb. 1989, M. Sc. Geoökologe

Studium an der TU Bergakademie Freiberg mit einer Abschlussarbeit über Seegraswiesen.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Büro für Landschaftsökologie.

Faunistische Erfassung von Amphibien, Fischen, Krebsen und Muscheln.

Wissenschaftliches Tauchen.

Der Autor

Volker Krautkrämer
geb. 1951, Freiberufler & Nabu-Ausbilder

Mitautor von „Pflanzen im Süßwasser“ (Kosmos-Verlag).

Autor von Beiträgen in verschiedenen Naturfachmagazinen.

Freiberuflich im Bereich Gewässerökologie und ökologische Baubetreuung tätig.