Steinsberg

Der Steinbruch bei Steinsberg – Ein Juwel im Naturpark Nassau

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Der Steinbruch „Steinsberg“, benannt nach dem nahen Ort Steinsberg, liegt beidseitig der L 323, die vom Lahntal bei Laurenburg über den Ort Wasenbach nach Diez führt. Er reicht vom Talgrund des bewaldeten engen Kerbtals „Wasenbachtal“ bis zu den landwirtschaftlichen Höhen bei Steinsberg bzw. den Waldbereichen von Biebrich. Die Schranke an der Straße trägt ein Schild mit der Aufschrift „Bergisch- Westerwälder Hartsteinwerke – Betrieb Steinsberg“. Seit 1967 wurde hier das vulkanische Gestein „Diabas“ abgebaut, seit 2007 federführend von der BAG. Der Abbau endete im letzten Teilbereich auf der linken Bachseite im Jahre 2016, weil die Lagerstätten nicht mehr rentabel nutzbar waren. Seitdem ist der Steinbruch sich selbst überlassen, die Natur führt hier die Regie. Seit fünf Jahren wird ehrenamtlich beobachtet, dokumentiert und fotografiert.

Vielfältige Biotopstrukturen

Steile und nicht zugängliche Felsbereiche ragen an den Rändern auf. Überall entlang des Abbaus haben sich Geröllfluren entwickelt, mit mehr oder weniger feinem Substrat bis hin zu mächtigen Felsblöcken. Außerdem haben sich Gehölze angesiedelt. Ein Absetzteich führt dauerhaft Wasser und ist strukturiert durch Schwimmblattgesellschaften und Rohrkolbenbestände. Im Winter 2020/2021 wurde der Teich in Zusammenarbeit zwischen Oberer Naturschutzbehörde und BAG von umstehenden Bäumen und Schlick befreit, sodass wieder offene Wasserflächen entstehen konnten. Zudem liegt seitlich der Straße ein Graben, der ebenfalls dauerhaft Wasser führt und eine Anbindung an den Wasenbach besitzt.

In einem Teil des Steinbruches auf der Steinsberger Seite entwickeln sich bei Niederschlag Flachwasserstrukturen, umgeben von schütter bewachsenen Rohbodenflächen. Kurzum, es sind vielfältigste Biotopstrukturen vorhanden, die interessanten Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum geben.

Pflanzen

Bisher sind im Steinbruchbereich weit über 100 Pflanzenarten nachgewiesen worden. Wertvoll sind dabei Sal-Weide (Salix caprea) und Zitter-Pappel (Populus tremula). Hier können sich im Frühjahr Insekten von Nektar und Pollen ernähren. Zudem sind sie wertvolle Bäume für Raupen von Großem Fuchs (Nymphalis polychloros), Großem Schillerfalter (Apatura iris) oder Großem Eisvogel (Limenitis populi). Ebenso tummeln sich Schmetterlinge und andere Insekten gerne auf den nektarreichen Blüten des Gewöhnlichen Wasserdost (Eupatorium cannabinum). Trockenere Saumstrukturen auf Magerboden werden von Echtem Dost (Origanum vulgare), Zick-Zack-Klee (Trifolium medium) sowie Scharfem Mauerpfeffer (Sedum acre) bewachsen und gerne von Schmetterlingen besucht.

Vögel

Von den bisher 52 nachgewiesenen Vogelarten können 30 Arten den regelmäßigen Brutvögeln zugeordnet werden. Der Uhu (Bubo bubo) ragt heraus, der hier einen Brutplatz in den steilen Felsbereichen findet. Tagsüber hält er sich zumeist im angrenzenden Wald auf. Zur Jagd fliegen die Alttiere aus dem Steinbruchbereich heraus und jagen an den Waldrändern bzw. landwirtschaftlich genutzten Flächen. Von den bisher nachgewiesen Vogelarten sind z. B. Wasseramsel (Cinclus cinclus) und Gebirgsstelze (Motacilla cinerea) in Bachnähe anzutreffen. Markant ist das Vorkommen aller vier einheimischen Grasmückenarten, nämlich Klapper-, Dorn-, Mönchs- und Gartengrasmücke (Sylvia curruca, Sylvia communis, Sylvia atricapilla und Sylvia borin).

Zu erwähnen sind ferner Misteldrossel (Turdus viscivorus), Grünspecht (Picus viridis), Schwanz- und Sumpfmeise (Aegithalos caudatus und Poecile palustris), Goldammer (Emberiza citrinella) oder von den Greifvogelarten Turmfalke (Falco tinnunculus), selten Wanderfalke (Falco peregrinus), überfliegend Rot- und Schwarzmilan (Milvus milvus und Milvus migrans) sowie Wespenbussard (Pernis apivorus). Der Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros) brütet im Steinbruch eigentlich in seinem natürlichen Felshabitat und nicht im Siedlungsbereich, wo heute seine Hauptbestände liegen.

Reptilien

Spärlich untersucht ist die Reptilienfauna des ca. 17 ha großen Steinbruchgeländes. Am Rand zur Steinsberger Offenlandschaft kommt die Zauneidechse (Lacerta agilis) mit wenigen Tieren vor.

Eine Ringelnatter (Natrix natrix) durchschwamm den bachnahen Graben und eine Schlingnatter (Coronella austriaca) wurde sonnend an steinigen und schütter bewachsenen Saumstrukturen gefunden.

Libellen

Libellen sind an Gewässer gebunden. Hier werden die Eier abgelegt, die sich je nach Art in ein bis drei Jahren zu fertigen Libellen entwickeln. Insgesamt 21 Arten sind bisher nachgewiesen, in Anbetracht der nicht üppigen Gewässerausstattung des Steinbruches eine beachtliche Zahl. Allen voran ragt natürlich der mit Strukturen gut ausgestattete Tümpel heraus. Hier konnte die in der Region seltene Gemeine Winterlibelle (Sympecma fusca) gefunden werden. Im Sommer fallen Große Königslibelle (Anax imperator), Vierfleck (Libellula quadrimaculata) und Großer Blaupfeil (Orthetrum cancellatum) auf. Vom bachnahen Graben kommen Gebänderte und Blauflügel Prachtlibelle (Calopteryx splendens und Calopteryx virgo) geflogen. Die blüten- und insektenreichen Saumstrukturen sind wertvolle Jagdhabitate der Libellen nach Insekten.

Amphibien

Wo Wasser vorhanden ist, einschließlich wertvoller Randstrukturen mit guten Nahrungshabitaten und Versteckmöglichkeiten, konnte sich eine vielfältige Amphibienfauna entwickeln. Bisher sind folgende Arten nachgewiesen: Erdkröte (Bufo bufo), Kreuzkröte (Epidalea calamita), Bergmolch (Ichthyosaura alpestris), Teichmolch (Lissotriton vulgaris), Kammmolch (Triturus cristatus), Teichfrosch (Pelophylax „esculentus“), Grasfrosch (Rana temporaria) und Feuersalamander (Salamandra salamandra). Eine selten gewordene Art ist die Kreuzkröte, die in dem Steinsberger Bruchteil vorkommt.

Die Amphibienart mit der grünbraunen Fleckung weist einen grünlichgelben Rückenstrich auf. Sie ist Langzeitlaicher und orientiert ihre Laichabläufe an dem Vorhandensein von flachen, vegetationsarmen und sich somit schnell erwärmenden Gewässern, wie sie im Steinbruch nach nassen Frühjahren vorkommen. 3000 – 4000 schwarze Eier in zweireihigen Schnüren werden in den sich schnell erwärmenden Pfützen abgelegt und können sich bei guten Bedingungen in weniger als 20 Tagen zu Jungkröten entwickeln. In trockenen Jahren fällt die Eiablage aus bzw. die Larven vertrocknen.

„DIE ERFAHRUNG ZEIGT, DASS Z. B. EIN STEINBRUCH DIE GRÖSSTE ARTENFÜLLE WÄHREND DES ABBAUS HABEN KANN.“

Im Tümpel existiert eine stattliche Population des Kammmolches. Die Tiere wandern im April in das Gewässer ein, paaren sich und ein Weibchen legt bis zu 200 Eier, zumeist an Wasserpflanzen, ab. Die daraus schlüpfenden Larven wandern im Sommer ab, die Alttiere schon früher. Die struktur- und versteckreichen Steinbruchbereiche bieten gute Sommer- und Winterlebensräume für die Art.

Heuschrecken

Gut untersucht im Steinbruch Steinsberg ist die Heuschreckenfauna. Hier wurden bisher 17 Arten nachgewiesen. Die in den Sommermonaten aktiven Insekten wurden mittels Beobachtung/Sichtung, Käschern oder Verhören der Rufe, auch unter Einsatz eines Ultraschalldetektors, erfasst. Besonders hervorzuheben sind die Vorkommen von Gemeiner Sichelschrecke (Phaneroptera falcata), Laubholz-Säbelschrecke (Barbitistes serricauda), Langflügeliger Schwertschrecke (Conocephalus fuscus), Grünem Heupferd (Tettigonia viridissima), Blauflügeliger Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens), Roter Keulenschrecke (Gomphocerippus rufus) und Braunem Grashüpfer (Chorthippus brunneus).

Eine typische Art der gebüschreichen Sukzessionsflächen ist das Grüne Heupferd, das ab Juli durch den lauten und bis zu 150 m weit hörbaren Gesang auffällt. Es ist die größte einheimische Heuschreckenart und ernährt sich hauptsächlich von Insekten.

Ein Juwel unter den Heuschrecken im Steinbruch ist die wärmeliebende Blauflügelige Ödlandschrecke. Sie hat sich im letzten Jahrzehnt ausgebreitet und bewohnt schütter bewachsene Rohbodenflächen. Charakteristisch sind die hellblauen Hinterflügel, die beim Auffliegen der sonst unscheinbar braun-grau gefärbten Tiere zu erkennen sind.

Zukünftige Entwicklung

Wie wird nun die Entwicklung in dem Steinbruch weitergehen?

Jede neu entstehende Rohbodenfläche ist einer natürlichen Entwicklung, die man Sukzession nennt, unterworfen. Das gilt für Steinbrüche, Kiesgruben, Tongruben, Kahlschläge und auch den nicht mehr genutzten Garten. Die Erfahrung zeigt, dass z. B. ein Steinbruch die größte Artenfülle während des Abbaus haben kann. Nach dem Abbau fällt die Artenzahl in der Regel ab, insbesondere die seltenen Arten, zumeist Rohbodenbewohner oder Erstnutzer von Wasserflächen, verschwinden. Es baut sich über ein Jahrzehnt eine Lebensgemeinschaft auf, bei der Sichelschrecke, Blauflügelige Ödlandschrecke oder Kreuzkröte verschwinden würden, weil die Lebensräumezu wachsen. Der Tümpel würde verlanden und hätte nicht mehr genug freie Wasserflächen, z. B. für den Kammmolch.

Daraus lässt sich folgern, dass der Abbau mit möglichst vielen Strukturen die Idealform darstellt, da auch Maschinen zum Biotoperhalt nicht „herangefahren“ werden müssen, der Betreiber selbst aktiv werden kann und dies natürlich mit dem Naturschutz abstimmen sollte. Wird der Steinbruch aufgegeben, kann der Naturschutz nur noch in Abstimmung mit dem Betreiber und Eigentümer selbst tätig werden. Für den Steinbruch Steinsberg ist eine solche Zusammenarbeit unter Bereitstellung von Maschinen wichtig. Zu denken ist an das Abschieben von Rohbodenflächen vor allem dort, wo Kreuzkröten laichen und Blauflügelige Ödlandschrecken vorkommen, wobei das Material am Rand in Wällen verbleiben kann. Der Tümpel sollte in bestimmten Abständen ausgebaggert werden.

Quellen

  • Anne Neidhöfer
  • Ursula Braun 

Die Autorin

Ursula Braun
geb. 1952, Pädagogin &
Naturschützerin

Studierte von 1971 – 1974 Pädagogik (Biologie, Chemie) an der Erziehungswissenschaftlichen Hochschule in Koblenz.

Von 1975 – 1994 Lehrerin an der Grund- und Hauptschule in Holzappel.

Von 1994 – 2015 Referentin das Naturparks Nassau.

Im Ruhestand weiterhin im Naturschutz, der Faunistik und der Naturschutzpädagogik engagiert.

Der Autor

Manfred Braun
geb. 1952, Pädagoge & Naturschützer

Studierte von 1970 – 1973 Pädagogik (Biologie, Geografie) an der Erziehungswissenschaftlichen Hochschule in Koblenz.

Von 1974 – 1992 Lehrer an der Grundund Hauptschule in Holzappel, danach Mitarbeiter des Regierungspräsidenten Danco in Koblenz

und von 2000 – 2015 Naturschutzreferent bei der Oberen Naturschutzbehörde/SGD Nord in Koblenz.

Von 1980 – 1993 Vorsitzender der GNOR.

Im Ruhestand weiterhin im Naturschutz, der Faunistik und der Naturschutzpädagogik engagiert.

Die Autorin

Anne Neidhöfer
geb. 2002, Naturfotografin und Ornithologin

Machte 2021 am Johannes- Gymnasium in Lahnstein das Abitur.

Seit dem Oktober 2021 Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) als Rettungssanitäterin bei der Rettungswache in Nassau.

Ab Oktober 2022 Medizinstudium an der Universität Heidelberg.

Begeisterte Naturfotografin und Ornithologin.