Eudenberg

Integration in den Biotopverbund Chance7

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  • Abb. 1: Gelbauchunken in ihrem Laichgewässer
  • Abb. 2: Der zentrale Steinbruchsee am Eudenberg

chance7 ist Bestandteil des Bundesförderprogramms „chance.natur“ des Bundesamtes für Naturschutz. Dessen Ziel ist es, herausragende Bereiche des Naturerbes in Deutschland durch gezielte Maßnahmen langfristig zu erhalten und zu entwickeln. Träger des Projekts ist der Rhein-Sieg-Kreis. Seit 2015 bis voraussichtlich 2025 werden auf rund 11.300 Hektar Fläche zwischen dem Siebengebirge und der oberen Sieg vor allem Weinbergsbrachen, Obstwiesen, extensiv genutztes Grünland, Heide und Feuchtwiesen sowie der Waldumbau und die natürliche Waldentwicklung gefördert. Dazu gibt es spezielle Förderangebote an die Bewirtschafter oder Eigentümer der Flächen. Weiterhin ist der Rhein-Sieg-Kreis interessiert am Ankauf der für den Naturschutz wichtigen Flächen, aber auch von geeigneten Tauschflächen. Die Teilnahme am Programm ist freiwillig.

Weitere Infos unter: www.chance7.org

Der ehemalige Basaltsteinbruch Eudenberg

Im Süden von Königswinter, nahe der Landesgrenze von NRW zu Rheinland-Pfalz, liegt das Naturschutzgebiet Eudenberg, das 2002 erstmals unter Schutz gestellt wurde. Zusammen mit dem Basaltsteinbruch Hühnerberg und der Tongrube Eudenbach bildet es ein FFH-Gebiet mit einer Größe von 144 ha. Die Unterschutzstellung erfolgte aufgrund der sehr hohen Bedeutung der drei genannten Abgrabungsgebiete für die rheinischen Gelbbauchunkenpopulationen, die zusammen eine fast 100 Unken umfassende Metapopulation beherbergen. Die Tongrube Eudenbach und der Steinbruch Hühnerberg stehen in wenigen Hundert Metern Abstand über eine Blockschutthalde in Verbindung. Der ca. 1,5 km entfernt liegende Basaltsteinbruch Eudenberg ist überwiegend über Grünlandbereiche mit den zuvor genannten Gebieten vernetzt.

Ein mehr als 30 Hektar umfassendes Areal des Steinbruchs Eudenberg hat die Basalt AG abschnittsweise 2017 und 2018 an den Rhein-Sieg-Kreis verkauft. Möglich wurde dies über Gelder des Naturschutzgroßprojekts chance7, das beim Amt für Natur- und Umweltschutz des Rhein-Sieg-Kreises angesiedelt ist. Nun konnte diese zuvor schon wertvolle Naturoase durch gezielte Maßnahmen weiterentwickelt werden.

Der aufgelassene Steinbruch besteht aus mehreren Abbausohlen um einen zentralen Vulkankegel, in diesem die Hauptabbautätigkeiten bis in die 1970er- Jahre stattfanden. Über die Zeit hat sich der tiefste Teil des Abbautrichters mit Wasser gefüllt, und es ist ein Krater-ähnlicher See (Abb. 2) entstanden. Während die Flanken des steilen Trichterrands mit dichtem Laubmischwald bestanden sind, befinden sich an den Hangfüßen magere Mähwiesen, teils mit losem Gesteinsschutt. Weiter unten schließen sich nährstoffreichere Böden an, die von einzelnen Bereichen mit Grundwasseraustritten abgelöst werden.

Wichtiges Refugium für seltene Tierarten

Das Gebiet ist von jeher ein wichtiges Refugium für seltene Tierarten. So kommen auf dem Areal neben der in NRW vom Aussterben bedrohten Zielart Gelbbauchunke (Abb. 3 & 5) fünf weitere Amphibien- sowie vier Reptilienarten vor, die allesamt als besonders oder streng geschützt gelten. Zudem brütet der Uhu regelmäßig im Steinbruch. Über das Naturschutzgroßprojekt chance7 wurden seit dem Frühjahr 2018 nachfolgende Maßnahmen umgesetzt:

  • Die Anlage neuer Laich- und Aufenthaltsgewässer für die Gelbbauchunke
  • Die Freistellung steiniger Hänge zwischen den einzelnen Terrassen
  • Besucherlenkungsmaßnahmen am Kratersee

Die Gelbbauchunke ist eine Art, die normalerweise in naturnahen und dynamischen Bach- und Flussauen vorkommt. Nach jedem Hochwasser entstehen hier zwischen Kies- und Schlammbänken neue, besonnte Kleingewässer, die periodisch austrocknen können. In diesen Gewässern sind i. d. R. keine Fressfeinde wie Fische und Libellenlarven vorhanden, und die Kaulquappen können dort ungehindert ihre Entwicklung abschließen. Leider sind naturnahe Flüsse und Bäche in Mitteleuropa extrem selten geworden. Die Gelbbauchunke ist vielerorts auf von Menschen geschaffene Ersatzlebensräume ausgewichen, die ähnliche Bedingungen aufweisen. Dazu zählen insbesondere aktive Abbaustellen wie Kies- und Tongruben oder eben Steinbrüche. Allerdings müssen an stillgelegten Abbaustellen die Kleingewässer immer wieder künstlich neu geschaffen werden, da diese mit der Zeit verlanden und keine neuen Tümpel im Zuge von Abbautätigkeiten mehr entstehen. Daher wurden am Eudenberg an mehreren Stellen unterhalb der Hangkanten zusätzliche Laichgewässer (Abb. 6) ausgehoben.

Laichgewässer & Freistellungsmaßnahmen

Diese Laichgewässer werden von den Unken sehr gut angenommen, und der Bestand entwickelt sich nunmehr positiv: Während bei den Erhebungen im Rahmen des FFH-Monitorings in den letzten 20 Jahren immer um die 20 Tiere festgestellt wurden, ist der Bestand in 2019 bereits auf über 100 Tiere angewachsen.

Allerdings ist zu beobachten, dass durch die infolge des Klimawandels auftretenden massiven Dürren der Jahre 2018 bis 2020 einige Tümpel deutlich schneller austrocknen als beabsichtigt. Da damit zu rechnen ist, dass sich dieser Trend fortsetzt, hat sich chance7 dazu entschieden, in Ergänzung zu den „natürlichen“ Kleingewässern einige speziell für die Ansprüche der Art gestaltete Betonbecken (Abb. 7) einzugraben. Diese halten das Wasser über das ganze Jahr hinweg, werden daher überproportional gut besiedelt und tragen nachweislich zur Unkenreproduktion bei.

Die zunehmende Beschattung der Tümpel aufgrund der immer höher aufwachsenden Gehölze an den Hängen des Eudenbergs hatte sich in der Vergangenheit ebenfalls ungünstig auf die Gelbbauchunkenpopulation ausgewirkt. Über chance7 wurden diese Hänge jetzt freigestellt (Abb. 8). In den besonnten Tümpeln können sich die Larven nun schneller entwickeln und die Gefahr, Fressfeinden zum Opfer zu fallen, sinkt. Aber auch vielen anderen Arten ist mit den Freistellungsmaßnahmen (Abb. 9 & 11) gedient. Auf den mageren, steilen Hängen kann sich nun verstärkt eine blütenreiche Vegetation entwickeln. Sie dient nicht nur Bestäubern wie Wildbienen und Schmetterlingen als Nahrung, sondern bietet auch Reptilien wie der Schlingnatter (Abb. 10) weiteren Lebensraum. Entscheidend für den Erfolg der Maßnahme war eine mehrmalige motormanuelle Nachpflege der Stockausschläge im Sommer. Ohne diese Maßnahme wären die Hänge rasch wieder zugewachsen. Um die Flächen langfristig und nachhaltig offen zu halten, sollen die freigestellten Flächen in Zukunft mit Schafen oder Ziegen beweidet werden. Hierzu erarbeitet chance7 derzeit ein Beweidungskonzept, das auch die Errichtung wolfssicherer Weidezäune beinhaltet.

Biotopverbundkorridor fördert Ausbreitung der Gelbbauchunke

Die Maßnahmen für die Gelbbauchunke am Eudenberg sind allerdings in einem größeren regionalen Zusammenhang zu sehen. Über chance7 wurden in benachbarten Bachtälern und Abbaugebieten zusätzliche Flächen erworben, um dort weitere Tümpel als Trittsteinhabitate anzulegen. Wie an einer Perlenschnur aufgereiht, entsteht dadurch ein sogenannter Biotopverbundkorridor (Abb. 13 Karte Biotopverbund Gelbbauchunke mit Punkten Anlage von Tümpeln). Er verbindet den Eudenberg nach Nordosten über das Hanfbachtal mit den Vorkommen am Eulenberg und über das Ravensteiner Bachtal und das Krabachtal bis hin zur Sieg. Besonders erfreulich war es zu sehen, dass die im Winter 2019/2020 im benachbarten Hanfbachtal angelegten Tümpel im Frühjahr sogleich von der Unke besiedelt wurden.

In Richtung Südwesten soll das Vorkommen über die Tongrube Eudenbach/Hühnerberg und überregional entlang des Logebachtals mit den Vorkommen am Asberg (RLP) vernetzt werden. Durch diesen Biotopverbund kann sich die Art in Zukunft wieder auf natürliche Weise entlang der Talachsen ausbreiten: Es kann wieder genetischer Austausch zwischen den zuvor isolierten Populationen stattfinden.

Maßnahmen ganz anderer Art wurden im Bereich des Steinbruchsees durchgeführt. Hier waren Besucherlenkungsmaßnahmen dringend erforderlich geworden: Der Bereich der ehemaligen Lkw-Zufahrt zum Steinbruchsee wurde zunehmend illegal durch Badegäste genutzt, verbunden mit starker Vermüllung des Bereichs. Dieses Problem konnte durch große Steinblöcke in der Zufahrt und auf dem „Badestrand“ (Abb. 12) auf ein beherrschbares Maß reduziert werden.

Durch den gezielten Ankauf weiterer Flächen und unterstützenden Pflegemaßnahmen entsteht so in der Region um das Siebengebirge ein einzigartiger Biotopverbund, in dem der ehemalige Steinbruch Eudenberg eine zentrale Rolle spielt.

Der Autor

Ralf Badtke

geb. 1971, Diplom Ingenieur Landespflege, studierte an der FH Nürtingen und gelernter Forstwirt. Langjährige Tätigkeit im Naturschutz bei der Biologischen Station Haus Bürgel. Seit 2015 beim Rhein-Sieg-Kreis im Projekt chance7 schwerpunktmäßig für die Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen in den Kommunen Bad Honnef und Hennef zuständig.

Dr. Christoph Rothenwöhrer

geb. 1979, fachlicher Leiter chance7. Bis 2017 am Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) in den Bereichen Zoologischer Artenschutz, Naturschutzfachkartierung, Arten- und Biotopschutzprogramm und Gebietseigene Gehölze tätig. Seit 2017 fachlicher Leiter des Naturschutzgroßprojektes chance7 beim Rhein- Sieg-Kreis in Siegburg. Dort neben der praktischen Maßnahmenumsetzung von überkommunalen Artenhilfsprojekten für die Projektflächen in Sankt Augustin und Bonn zuständig.

Literatur

Rhein-Sieg-Kreis: Abb. 1–3, Abb. 5–9 & Abb. 11–13

Adobe Stock: Abb. 4 & Abb. 10