Beweidungsprojekt Steinbühl

Halbwilde Weidehaltung als Instrument für Offenhaltung und Artenvielfalt

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  • Durch die halboffene Beweidung entsteht ein Mosaik aus offenen Flächen mit vereinzeltem Gebüsch, Hecken und Totholz – ein idealer Lebensraum für die gefährdete Zauneidechse (Lacerta agilis), (Foto: Schleich)
  • Weibliche Zauneidechse (Lacerta agilis), (Foto: Schleich)

Steinbühl/Haide

Ehemals ein aktiver Steinbruch in der Nordpfalz im Donnersbergkreis, Gemarkung Kirchheimbolanden. Hier wurde von dem damaligen Betreiber (Josef Skipiol KG) die Gesteinsart Porphyr abgebaut. Der Betrieb wurde später in die Hartstein-, Asphalt- und Betonwerk GmbH aufgenommen, welche im Rahmen eines Unternehmenskaufs im Jahre 2002 von der Werhahn & Nauen OHG erworben und dem Betriebskreis Südwestdeutsche Hartsteinwerke angegliedert wurde.

Im Rahmen einer Umstrukturierung wurde letztendlich zum 01.01.2008 der Betrieb in die Zweigniederlassung „Südwestdeutsche Hartsteinwerke“ der Basalt-Actien-Gesellschaft integriert. Schon während des Abbaus wurden Teilbereiche wieder mit Erdmassen aufgefüllt. Grundidee war, nach vollendetem Abbau und anschließender Verfüllung mit Erdaushub ein Gewerbegebiet auf dieser Fläche zu errichten.Die letzte Erdaushubannahme quittiert ein Lieferschein vom 17.06.2002. Aufgrund einer Artenerfassung in den 1990er-Jahren, bei der 280 Pflanzen-, 17 Libellen-, 22 Tagfalter- sowie 12 Amphibien- und Reptilienarten nachgewiesen wurden, stellten Naturschützer und Behörden fest, dass sich dieses Areal im Laufe des Abbaus zu einem wichtigen und einzigartigen Lebensraum für teils bedrohte Tier- und Pflanzenarten entwickelt hatte. Aus diesem Grund wurden 1998 insgesamt 67 ha als Naturschutzgebiet unter dem Gebietsnamen Steinbühl-Schäfergraben ausgewiesen.

Anlass hierfür war u. a. der Schutzzweck zur Erhaltung und Entwicklung des ehemaligen Steinbruchs, insbesondere von Felswänden, Felsfluren, dauerhaften und periodischen Gewässern, abwechslungsreich strukturierten Gelände- und vielfältigen Standortverhältnissen. Zu diesen zählen nährstoffarme bis nährstoffreiche, nasse bis trockene Böden als Sekundärbiotop für eine Vielzahl seltener oder gefährdeter Pflanzen- und Tierarten.

Nicht zu vergessen ist ein weiterer Grund: der Erhalt der Artenvielfalt für solche Biotopverhältnisse typischer wild wachsender Pflanzen- und Tierarten, deren Lebensgemeinschaften sich im Laufe des Gesteinsabbaus angesiedelt haben.

Die Ausweisung als Naturschutzgebiet gelang durch intensive vierjährige Überzeugungsarbeit der Verbände Naturschutzbund (NABU) Donnersberg, Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz (GNOR), Landesjagdverband, Pollichia und des Tierschutzvereins Donnersberg. Somit wurde die ursprüngliche Idee von der Errichtung eines Gewerbegebiets verworfen. 

Da die Fläche des Gebiets für eine dauerhafte Pflege durch den Menschen ohne kostenaufwendige Unterhaltungsmaßnahmen einfach zu groß ist und durch die allmähliche Verbuschung ein Rückgang einzelner Individuen festzustellen war, entschloss sich der NABU Rheinland-Pfalz, ein Beweidungsprojekt in Form einer halbwilden Weidelandschaft durchzuführen, um dieses vielfältige Mosaik aus verschiedenen Biotopstrukturen zu erhalten. Das Gebiet drohte ohne eine entsprechende Nutzung weiter zu verbuschen und sich langfristig in einen Wald zu verwandeln, was das Aus für viele an diesen speziellen Lebensraum angepasste Tier- und Pflanzenarten bedeutet hätte.

Ziel dieses Projektes ist es, mithilfe einer ganzjährigen Beweidung großflächiges Grünland mit standorttypischen Gehölzen zu erhalten und zu schaffen. Daraus resultiert eine weiterhin zunehmende artenreiche Fauna und Flora, wodurch natürliche Prozesse wie die Sukzession gefördert werden. Dies wird mit einer geringen Besatzdichte von 0,3 bis 0,8 Tieren pro ha Fläche in Form von großen Pflanzenfressern erreicht. Mit einer solch niedrigen Besatzdichte findet keine Überweidung statt, sodass auch Blütenpflanzen weiterhin ihre Samen ausbilden können.

Zum Einsatz kommen Tiere mit einer außerordentlichen, für eine Ganzjahresbeweidung nötigen Robustheit wie Taurusrinder (Rückzüchtung des ausgestorbenen Auerochsen) und Konik-Wildpferde. Gerade die Ganzjahresbeweidung erzielt große Effekte in der Landschaftspflege, da in den futterknappen Wintermonaten von den Weidetieren auch die wenig attraktive Vegetation sowie Rinden und Gehölze gefressen werden.

Gefördert wird das Projekt durch das Umweltministerium Rheinland-Pfalz sowie die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz. Projektträger ist der NABU (NABU Agrar-Umwelt-GmbH Rheinland-Pfalz), der auch die fachliche Betreuung übernimmt und Eigentümer der Herdentiere ist. Die Taurusrinder wurden anstelle von Ausgleichsmaßnahmen durch die Basalt-Actien-Gesellschaft finanziert. Das Gelände ist von der Stadt Kirchheimbolanden unentgeltlich für das Projekt zur Verfügung gestellt worden.

Nicht nur seltene Amphibien-, Libellen- und Schmetterlingsarten sollen durch das Beweidungsprojekt geschützt und erhalten werden; so wurde beispielsweise auch ein alter Abbaustollen freigelegt, um Fledermäusen ein neues Tagesversteck und Winterquartier zu bieten. Neben dem Großen Mausohr (Myotis myotis) und der Bartfledermaus (Myotis brandtii) konnten hier auch verschiedene Schmetterlinge nachgewiesen werden, die den ursprünglichen Abbaustollen als Winterquartier nutzen.

Nach einer 21-monatigen Planungs- und Vorbereitungsphase konnte am 12. Mai 2007 mit der Freilassung von fünf Konikpferden und elf Taurusrindern der Startschuss für das Projekt fallen. Die sogenannten Raufutterverwerter sollten von nun an die Offenflächen beweiden, um den Lebensraum von Gelbbauchunke (Bombina variegata), Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) und Wechselkröte (Bufo viridis), Zauneidechse (Lacerta agilis) sowie seltenen Falter- und Libellenarten zu erhalten und zu schützen. Bereits kurze Zeit später konnte man die ersten Spuren der Beweidung erkennen, einige Sträucher und kleine Bäume wurden von den Tieren bereits gestutzt, offene Flächen entstanden an Stellen, an denen bisher meterhoch die Vegetation wucherte.

Durch das nun vielfältige Mosaik aus verschiedenen Biotopstrukturen konnten offensichtlich die Zauneidechse (Lacerta agilis) und der Schwalbenschwanz (Papilio machaon) profitieren, welche sich einige Zeit nach Beginn der Beweidung stark im Gebiet verbreitet haben. Die offenen, mehrere Meter hohen Felswände bieten verschiedenen Felsenbrütern genügend Platz, um ihre Jungen großzuziehen, so u. a. dem Uhu (Bubo bubo), der sich bereits im Gebiet niedergelassen hat. Die Vegetation, die über die Sommermonate übrig bleibt, wird im Winter als Nahrung neben Gehölzen und Gebüschen wie Brombeersträuchern gefressen.

Durch das vermehrte Beweiden von Hecken, Sträuchern und Gebüschen in der kalten Jahreszeit wird wirkungsvoll die Verbuschung des Gebiets verhindert. Langfristig entsteht somit ein Mosaik aus einzelnen Baumgruppen, Hecken, Feldgehölzen, offenen Wiesen- und Wasserflächen sowie verschiedenen Feuchtbiotopen, da auch rund um und in den Gewässern die Vegetation von den Tieren abgeweidet wird. 

Durch das Gewicht der Tiere entstehen im Beweidungsgebiet an verschiedenen Stellen, vor allem mit sandig-lehmigem Untergrund, neue temporäre Wasserstellen, sogenannte Kleinstgewässer. Hier können sich allein durch das Zertrampeln der Rinder und Wildpferde neue Lebensräume für verschiedene Amphibienarten bilden, wie beispielsweise für die Gelbbauchunke (Bombina variegata). Sie benötigt vegetationsarme Kleinstgewässer, die auch gelegentlich mal austrocknen können. So entstehen regelmäßig neue Biotope, die man in der freien Natur kaum noch findet. Auch verschiedene Libellenarten bevorzugen diese Kleinstgewässer mit angrenzenden offenen und vegetationsarmen Flächen, u. a. der Südliche Blaupfeil (Orthetrum brunneum) und die Frühe Heidelibelle (Sympetrum fonscolombii). Letztere sucht besonders im nördlichen Verbreitungsgebiet vegetationsarme Kleingewässer auf. Sogar der Dung der Weidetiere bietet Nahrung und Reproduktionsstätten für verschiedene, teils seltene Käfer-, Fliegen- und Schmetterlingsarten wie beispielsweise den Kleinen Eisvogel (Limenitis camilla) oder den Großen Schillerfalter (Apatura iris). Selbst als Dünger ist er für viele Wildpflanzen ideal geeignet. Die Waldbestände entwickeln sich allmählich zu sogenannten Hutewäldern, in denen sich auch der imposante Hirschkäfer wohlfühlt und einen geeigneten Lebensraum vorfindet.

Mittlerweile haben sich die beiden Weidetierarten selbstständig jährlich vermehrt und die Herde wächst weiter an. Maximal 25 Individuen sollten die Fläche beweiden; bei einem höheren Bestand könnte das Ökosystem wieder umkippen.

Zur Gewährleistung einer nachhaltigen Landschaftspflege benötigt jedes einzelne Tier ungefähr 2 ha Weidefläche. Derzeit befinden sich 16 Taurusrinder und acht Konikpferde auf der Fläche, darunter fünf diesjährige Rinder und zwei Fohlen. Aufgrund der Gesetzeslage müssen die Tiere täglich gezählt und ihr Gesundheitszustand muss überprüft werden. Wird der Weidetierbestand zu groß, werden vor allem die Jungtiere aufgrund innerartlicher Konkurrenz aus dem Gebiet entnommen, um sie in anderen Beweidungsprojekten einzusetzen. Hier wäre u. a. die Schmidtenhöhe zu nennen, ein ehemaliger Truppenübungsplatz in Koblenz, auf dem ebenfalls eine Beweidung mit Taurusrindern und Konik-Wildpferden durch den Naturschutzbund Rheinland-Pfalz (NABU) durchgeführt wird. Sollten keine Tiere auf anderen Flächen benötigt werden, so wird das Fleisch dieser sehr fettarmen Rinder als Nahrungsmittel angeboten.

Dieses Beweidungsprojekt, welches mittlerweile deutschlandweit bekannt ist und in Rheinland-Pfalz als „Leuchtturmprojekt“ beschrieben wird, hilft somit, einen ganz besonderen Lebensraum und dessen Artenvielfalt sowie die Kulturlandschaft zu erhalten – ganz nach dem Motto „Naturschutz durch Nutzung“.

Bestandsveränderung der Weidetiere im Projektzeitraum (Tabelle: Schleich)
TaunusrinderKonikpferde
MWMW
Anfangsbestand zum 12.05.2007115
20070000
2008+1+3/-10+1
2009+1/-3+6+1+2
2010+6/-4+2/-11+1+1/-5
2011+2+30+2
Bestand zum 22.08.2011168
+ Zugänge durch Reproduktion; – Abgänge durch Umsiedlung, Verkauf, Schlachtung, Tod

Um dieses in seiner Form bisher einmalige Projekt in Rheinland-Pfalz für die Öffentlichkeit erlebbar zu machen, wurde ein Rundwanderweg auf einer Strecke von ca. 4 km eingerichtet. Drei Aussichtsplattformen und fünf Informationstafeln informieren über das Projekt und die eingesetzten Tiere. Um das eigentliche Beweidungsgelände befindet sich ein 3,3 km langer 6.000-Volt-Elektrozaun, der die Tiere auf den Flächen halten, aber auch das Areal vor störender Freizeitnutzung (u. a. Motocross und Zelten) schützen soll – was aber sicherlich auch ein Verdienst des Respekt einflößenden Taurusstiers ist. Der Stier namens Pablo mit einem Gesamtgewicht von ca. 1000 kg und einer Hornspannweite von 90 cm wurde 2007 als bester Zuchtstier vom VFA (Verein zur Förderung der Auerochsenzucht) in der Zuchtlinie „X“ prämiert. Diese Prämierung gilt für Deutschland, Ungarn und die Niederlande.

Möglich wurde dieses Projekt durch die gute Zusammenarbeit zwischen dem Naturschutzbund Rheinland-Pfalz (NABU), dem NABU Donnersbergkreis, der Stadt Kirchheimbolanden, der Kreisverwaltung des Donnersbergkreises und dem Land Rheinland-Pfalz sowie durch die finanzielle Unterstützung der Basalt-Actien-Gesellschaft, welche die Voraussetzung für den Kauf der Taurusrinder schaffte.

Der Autor

Sascha Schleich

Geboren am 08.08.1985 in Idar-Oberstein. Nach Abschluss der Fachhochschulreife in der Fachrichtung Betriebswirtschaft Eintritt in die Basalt-Actien-Gesellschaft – Südwestdeutsche Hartsteinwerke (SHW) im Jahr 2004 als Auszubildender zum Industriekaufmann. Nach erfolgreichem Abschluss ab 2006 IT-Sachbearbeiter. Parallel dazu verschiedene ehrenamtliche Vorstandspositionen, seit 2010 ehrenamtlicher Sprecher des NABU Bundesfachausschusses Feldherpetologie und Ichthyofaunistik sowie Leiter des Arbeitskreises Nahetal der GNOR.

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